15.02.2024  LIQUI MOLY HBL

500-Spiele-Mann Tim Kneule: „Sieg gegen Eisenach ist wichtiger als mein Jubiläum“

Für FRISCH AUF! Göppingen ist es ein normales Heimspiel, auch wenn nach der 29:30-Niederlage bei Schlusslicht HBW Balingen-Weilstetten Wiedergutmachung angesagt ist gegen den Vorletzten ThSV Eisenach. Für einen Göppinger ist die Partie am Donnerstag (19.00, live bei Dyn) aber eine ganz besondere, es ist sein Jubiläumsspiel: Tim Kneule absolviert dann seinen 500. Einsatz in der LIQUI MOLY HBL.

Und wie bei seinen 499 zuvor steht er immer für den gleichen Verein auf dem Feld: FRISCH AUF! Göppingen. Mit dem 500. Spiel wird der 37-Jährige just einen langjährigen Mannschaftskameraden überholen, um in den elitären „Klub der 500“ einzuziehen: Manuel Späth. 

„Mir war das gar nicht so bewusst, bis mich einige Leute drauf angesprochen haben. Ich führe nicht so genau Statistiken, daher hatte ich die 500 Spiele auch nicht auf dem Schirm, genau wie damals, als ich irgendwann Rekordspieler von FRISCH AUF! wurde“, sagt der Rückraumspieler: „Und ehrlich gesagt, ist es nach dem Remis gegen Stuttgart und der Niederlage in Balingen wichtiger, dass wir gewinnen, als dass ich mein 500. Spiel habe.“ 

Kneule wird der 17. Spieler sein, der diese magische Marke erreicht, von den aktuellen Spielern der LIQUI MOLY HBL ist Löwen-Rechtsaußen Patrick Groetzki mit derzeit 509 Einsätzen der einzige Feldspieler. Dazu kommen die drei Torhüter Carsten Lichtlein (712), der als Stand-by-Torwart immer noch offiziell bei MT Melsungen gelistet ist, wo er auch Torwarttrainer ist, sowie Johannes Bitter (Hamburg/638) und Silvio Heinevetter (Stuttgart/614). Dieses Trio führt auch die ewige HBL-Statistik an. Mit 593 HBL-Einsätzen ist Volker Zerbe (Lemgo) der Feldspieler mit den meisten Partien in der „stärksten Liga der Welt“.

Bleibt Tim Kneule von Verletzungen verschont, kommt er am Ende der Saison 2023/24 auf 512 HBL-Einsätzen für Göppingen – und dann ist Schluss. Vor zwei Wochen hat der 30-fache DHB-Nationalspieler seinen Rücktritt zum Saisonende erklärt.  

„Ich sehe es als Privileg an, dass ich die Entscheidung über mein Karriereende selbst fällen kann, denn es ist eigentlich der Wunsch eines jeden Leistungssportlers, diesen Schritt zu machen, solange man noch konkurrenzfähig ist. Bei mir war es ein längerer Denkprozess. Der Fokus verschiebt sich in Richtung Familie, und mein Studienabschluss steht unmittelbar bevor. Ich liebe den Handballsport und will die Zeit nicht missen, aber jetzt ist der richtige Zeitpunkt“, begründete Kneule seine Entscheidung.  

Er wird dann sein Masterstudium in Gesundheitsmanagement abschließen, nachdem er zuvor seinen Bachelor in Sportwissenschaften abgelegt hatte. „Ich will erst einmal ein bisschen Pause vom Handball machen und mich dann auf den neuen Job außerhalb des Handballs konzentrieren.“ 

In Reutlingen geboren, begann seine Handballkarriere bei der JSG Neuhausen/Metzingen, mit 20 Jahren wechselte er 2006 zu FRISCH AUF! – anfangs noch mit Zweitspielrecht für den TV Neuhausen, mit dem er in die 2. Liga aufstieg. Seitdem hat Tim Kneule den Klub nie verlassen. „Ich bin ein Familienmensch, mir war die Nähe zur Familie immer ein sehr wichtiges Kriterium. Zudem hatte ich von allen Trainern immer das Vertrauen – da gab es keinen triftigen Grund für einen Wechsel. Und für den FC Barcelona war ich, glaube ich, nicht gut genug.“ 

Direkt vor seinem Wechsel nach Göppingen feierte Kneule seinen größten Erfolg im DHB-Trikot, wurde Junioren-Europameister, in einem Team zum Beispiel mit Uwe Gensheimer und Martin Strobel, 2007 wurde er mit Deutschland Vizeweltmeister bei der U21. „Das war schon prägend, speziell, was den Blickwinkel auf Ziele und Leistungssport generell betraf. Die anderen Jungs hatten da schon in der 1. Liga gespielt, und so wollte ich auch Stammspieler bei einem Bundesligisten werden.“ 

Auch die späte Berufung in die A-Nationalmannschaft im Jahr 2012 macht Kneule stolz: „Ich kam nach einem Kreuzbandriss aus einer Verletzungspause, war aber topfit. Das war eine Mega-Erfahrung, in der A-Mannschaft zu spielen. Es ist nur schade, dass ich nie bei einem großen Turnier dabei war, weil mich immer wieder Verletzungen ausgebremst hatten. Ich bin aber total froh, dass ich die Erfahrungen im A-Team machen durfte.“ 

Umso größer waren aber die internationalen Erfolge mit FRISCH AUF! Göppingen: Gemeinsam mit Manuel Späth, der gerade ein Kurz-Comeback beim TVB Stuttgart feierte, ist Tim Kneule der einzige Handballer in ganz Europa, der viermal den EHF-Pokal gewann: in den Jahren 2011 und 2012 unter Trainer Velimir Petkovic sowie 2016 und 2017 unter Trainer Magnus Andersson. „Das waren nicht nur zwei unterschiedliche Trainer, sondern auch zwei unterschiedliche Wettbewerbe, weil ja zwischenzeitlich der Modus komplett geändert wurde. Mittlerweile ist dadurch der Terminplan sehr voll, die vergangene Saison, als wir es erneut zum Finalturnier der European League geschafft hatten, war die anstrengendste Spielzeit meiner ganzen Karriere“, blickt Kneule zurück. 

Auf europäischer Bühne, aber in der heimischen Arena, hatte Kneule den größten Tag seiner Karriere: 2017, als Göppingen als Gastgeber den EHF-Pokal durch einen Finalsieg gegen die Füchse Berlin gewann: „Was unser Verein, was ganz Göppingen auf die Beine gestellt hatte, war riesig. Dann die Nähe: meine ganze Familie war dabei, das war genial, die Stimmung war sensationell, da hat alles gepasst.“ 

Dass er viermal Europapokalsieger wurde, aber national nie einen Titel gewann, ist für Kneule angesichts der stärksten Liga der Welt kein Problem: „Im EHF-Pokal hattest du oft erst einmal einfache Gegner, im DHB-Pokal hing immer viel von den Auslosungen ab. Und ganz oben stehen in der HBL eben nur Weltklasseteams.“ 

Nun aber geht es für Kneule in seinem Jubiläumsspiel erst einmal um wichtige Punkte: „Die Liga ist so ausgeglichen wie nie, jeder nimmt jedem die Punkte ab. Mit zwei Niederlagen in Folge bist du ganz unten, mit zwei Siegen schnell weiter oben. Und weil Eisenach ein unangenehmer, unkonventioneller und schwer zu spielender Gegner ist, müssen wir am Donnerstag auf der Hut sein.“

Foto: Weber