16.01.2024  LIQUI MOLY HBL

U21-Weltmeister Stephan Seitz: Vom Bad in der Menge zurück ins Kältebecken des HC Erlangen

Die aktuelle Handball-Euro zeigt ganz genau: Bayern sehnt sich nach Spitzenhandball, die Olympiahalle in München war bei den Euro-Spielen der Vorrundengruppen C und F proppenvoll, die Atmosphäre war gigantisch. Und Spitzenhandball ist im Süden weiter auf dem Vormarsch – ermöglicht durch eine neue Handballbegeisterung, durch einen mitgliederstarken Landesverband und vom HC Erlangen, der sich in der „stärksten Liga der Welt“ längst etabliert hat.

Ein Spieler, der den Handball-Boom regional weiter voranbringen kann, ist Stephan Seitz. Der gebürtige Münchner hat sich beim Drittligisten TuS Fürstenfeldbruck durchgesetzt und trägt seit 2022 das Trikot des HC Erlangen - und hat den Anspruch, auch hier zum Leistungsträger zu wachsen. Im Juli 2023 machte der Linkshänder, der im Rückraum und auf Außen spielen kann, seinen Traum wahr: in Berlin, in der Stadt, wo die deutsche Handballnationalmannschaft heute Abend gegen Frankreich um den Gruppensieg antritt, wurde er mit Deutschland U21-Weltmeister.

Im sechsten Teil der HBL-Nachwuchsserie „Auf dem Sprung – HBL-Talente auf dem Weg in die Spitze“ geht es um Seitz, den HCE und einen Europameister von 2016, der den HC-Erlanger Nachwuchs fit fürs Stahlbad Bundesliga machen soll.

Ist er nun Rechtsaußen oder doch ein Rückraumspieler? Für U21-Bundestrainer Martin Heuberger war Stephan Seitz immer beides, zudem ist er abwehrstark – und genau das macht den 21-Jährigen so wertvoll. Angesichts der Konkurrenz auf der Außenbahn wird der gebürtige Münchner von Erlangens Trainer Hartmut Mayerhoffer eher im Rückraum eingesetzt. Der U21-Weltmeister will sich hingegen noch nicht festlegen: „Ich glaube, dass in meiner Torgefahr noch großes Potenzial ist, gerade auf der Rückraum-Position. Und auf der Außenposition könnte ich noch ein paar Wurfvariationen dazu lernen. Und ich glaube, in der Abwehr will ich mich sowieso stetig weiterentwickeln. Da habe ich körperlich noch ein paar Potenziale.“

Der Empfang für den frischgebackenen U21-Weltmeister war im Sommer grandios in der fränkischen Handball-Hochburg – so etwas erlebt man schließlich nicht alle Tage. „Alle haben mich beglückwünscht. Ich habe wirklich gemerkt, dass sich die ganze Mannschaft und auch alle drum rum für mich gefreut haben“, sagt Seitz, für den der besondere U21-WM-Moment nach dem Ende kam: „Vor der Siegerehrung, als wir in die Halle reingegangen sind. Ich kann gar nicht sagen, warum genau.“

Beim HCE war man „unglaublich stolz“, wie Geschäftsführer Rene Selke meint: „Stephan Seitz ist ein junger Kerl, der jetzt einen großen Triumph zurück nach Erlangen gebracht hat.“

Dass ein Bayer in Bayern für Furore sorgt, ist für Selke natürlich ganz wichtig für die Identifikation, aber auch die Entwicklung des Clubs: „Wir freuen uns umso mehr, dass da ein bayerischer Junge so einen großen Titel mit nach Hause gebracht hat. Wir waren vor nicht allzu langer Zeit als Verein ganz anders aufgestellt, was die Administration, aber natürlich auch die Nachwuchsarbeit betrifft. Da haben wir in den letzten Jahren viel, viel investiert, weil wir einfach gesagt haben, wir sind der einzige Handball-Erstligist in ganz Bayern.“

Und mit diesem Alleistellungsmerkmal wollen sich die Erlanger auch als Talentschmiede positionieren: „Wir haben einfach den Auftrag, als Leistungszentrum für das ganze Bundesland, alle Top-Talente bei uns zu zentrieren und dann natürlich auch entsprechend auszubilden.“ Ein langjähriger Spieler ist nun das Scharnier zwischen Nachwuchs und Profis: Johannes Sellin, Europameister von 2016 – und ausgebildet im berühmten Füchse-Town in Berlin-Hohenschönhausen. „Die Entscheidung, Johannes Sellin zum U23-Trainer zu machen, ist aus meiner Sicht definitiv goldrichtig. Er kommt selbst aus dem Leistungszentrum in Berlin und kennt dementsprechend die Strukturen auch gut“, sagt Geschäftsführer Selke.

Für Sellin war der Wechsel vom Spieler zum Co-Trainer und dann zusätzlich zum U23-Coach ein idealer Übergang: „Stephan und ich, wir haben letztes Jahr noch zusammengespielt, sogar auf einer Position. Komisch war der Wechsel für mich nicht, aber natürlich hat man ein anderes Verhältnis. Ich muss schauen, dass ich den Abstand zur Mannschaft wahre, auch wenn ich eigentlich gerne einer bin, der immer mittendrin ist“, sagt Sellin, für den die Nachwuchsförderung in Erlangen erst am Anfang des Weges steht: „Wir sind noch nicht mal annähernd so weit wie die Berliner oder wie Leipzig oder Magdeburg. Aber das liegt auch einfach daran, dass die zehn Jahre Vorlaufzeit haben. Daher geht es erst einmal darum, den Abstand zu verkürzen und vielleicht ein Alleinstellungsmerkmal zu finden, was uns von anderen abhebt.“

Einer der Ersten aus dem Nachwuchsprogramm des HCE, der es in die Profimannschaft geschafft hat, ist Linksaußen Christopher Bissel – in Zukunft sollen noch viele folgen. Die neu geschaffenen Strukturen und die Infrastruktur beim HC Erlangen waren auch für Stephan Seitz neben der Heimatnähe das Kriterium für den Wechsel aus Fürstenfeldbruck nach Erlangen: „Es ist einfach professioneller aufgestellt hier in Erlangen und es sind einfach andere Rahmenbedingungen. Das soll keine Kritik an meinem Ex-Verein sein.“ Als Beispiel nennt der Linkshänder das Eisbad in der Kabine.

Mit Seitz als Vorbild für andere bayrische Spieler, aber auch mit top-ausgebildeten Trainer und besagten Rahmenbedingungen will der HC Erlangen nun noch attraktiver zu werden: „Wir haben vor zwei, drei Jahren richtig angefangen zu investieren, zu coachen, zu scouten, die Jugendarbeit wirklich nach vorne zu bringen. Das wollen wir in Zukunft noch intensivieren“, sagt Sellin.

Foto: Mhoch4