25.10.2023  LIQUI MOLY HBL

ÜberZahl – Die Zahlenkolumne: Warum die Füchse Berlin ganz oben stehen

Als einziges ungeschlagenes Team nach zehn Spieltagen stehen die Füchse Berlin an der Tabellenspitze der LIQUI MOLY HBL. Wie gut das Team aus der Hauptstadt wirklich ist und warum Mathias Gidsel und Lasse Andersson die Schlüsselspieler sind, analysiert Datenanalyst Julian Rux in der neuen Ausgabe von „ÜberZahl“.

Als erst zehntes Team in der Geschichte der LIQUI MOLY HBL stehen die Füchse laut Rasmus Boysen auf X nach zehn Spielen noch ohne Punktverlust da. Sechs der neun Teams, denen dies zuvor gelang, konnten am Ende auch tatsächlich die Meisterschale in die Höhe recken. Nach dem überzeugenden Sieg gegen die MT Melsungen in der vergangenen Woche scheint auch das Team von Jaron Siewert auf dem besten Weg dorthin zu sein. 

Auf den ersten Blick scheint dies an den guten Defensivstatistiken des Tabellenführers zu liegen. Zwar hat Torhüter Dejan Milosavljev die meisten Feldparaden pro Spiel (10,8), wie auch die meisten Siebenmeter-Paraden (0,9) und somit auch die meisten gesamten Paraden (11,7), doch die klassischen „Summen-Statistiken“ täuschen hier wieder einmal. Denn der Serbe ist mit 54,4 Minuten pro Spiel nach Johan Hansen (55,2) der Spieler mit der höchsten Einsatzzeit der gesamten Liga. 

38,5 Würfe bekommt Milosavljev pro Spiel auf sein Tor, was mit Abstand der Höchstwert ist. Bei den deutlich aussagekräftigeren Quoten steht er lediglich bei den Siebenmetern mit starken 47,4 % auf Platz eins. Bei der gesamten Paradenquote sowie der Feldparadenquote reicht es mit 30,4 % bzw. 29,5 % jeweils nur noch für Rang sieben. 

Mit 26,4 Gegentoren pro 50 Ballbesitzen stellen die Hauptstädter auch lediglich die sechstbeste Hintermannschaft. Hier wurden die Gegentore auf 50 Ballbesitze umgerechnet, da die Anpassung der kassierten Tore an die gleiche Anzahl von Ballbesitzen die Teams tatsächlich vergleichbar macht. Denn die rohe Anzahl der Tore wird nicht nur von der Effizienz, sondern auch von der Anzahl der Ballbesitze, also ob ein Team und seine Gegner schnell oder langsam spielen, beeinflusst. 

 

Herausragende Offensive 

Ganz anders sieht es im Angriff aus. Mit 30,9 Toren pro 50 Ballbesitze sind die Füchse offensiv die beste Mannschaft der Liga. Besonders herausragend ist dabei die Wurfquote der Berliner. Mit 72,6 % stehen sie hierbei nicht nur vor dem SC Magdeburg (68,3 %), sondern sind auch auf dem besten Weg die Magdeburger bei der besten Wurfquote aller Zeiten (69,6 % in der Saison 2021/22) zu überholen. 

Auffällig ist dabei, dass sie mit Mathias Gidsel (7,5), Lasse Andersson (6,7) und Hans Lindberg (5,8) gleich drei Spieler in den Top6 der meisten Tore pro Spiel stellen. Mit Gidsel steht sogar ein Spieler ohne einen Siebenmeter an der Spitze der Torschützenliste. Dazu steht bei den Feldtoren Lasse Andersson auf Rang zwei hinter seinem Landsmann, während Lindberg der Spieler mit den meisten Siebenmetertoren pro Spiel ist (3,6). 

Coach Jaron Siewert hat – natürlich auch aufgrund der verletzungsbedingten Ausfälle von Fabian Wiede und Paul Drux – den Angriff seines Teams sehr stark auf Gidsel und Andersson ausgerichtet. Hierbei lohnt sich ein Blick auf die Statistik der offensiven Verantwortung, welche den Anteil eines Spielers an allen Feldwürfen, Ballverlusten und herausgeholten Siebenmetern seines Teams angibt. Gidsel liegt hierbei mit 25,7 % auf dem ersten Rang in der gesamten Liga, Andersson mit 24,0 % auf dem dritten. Zudem verantworten sie auch fast die Hälfte aller Abschlüsse ihres Teams und führen damit als Duo klar die Liga an. 

Das unterschiedliche Rückraumduo 

Trotz der hohen Last im Angriff sind beide überdurchschnittlich bei der Effizienz. Gidsel gehört in der aktuellen Saison sogar erneut zu den effizientesten Spielern der gesamten Liga und hat sich sogar noch einmal gesteigert. Unter allen 29 Spielern, die mindestens sechs Feldwürfe pro Spiel versuchen und die Hälfte aller Spiele absolvierten, ist er mit 72,8 % der effizienteste Werfer aus dem Feld. Im Vergleich zur Vorsaison ist dies eine Steigerung um 5,0 Prozentpunkte. Damals landete er im gleichen Ranking auf Platz zwei hinter Gisli Kristjansson. 

Gidsel schafft es wie kaum ein anderer Spieler regelmäßig aus den hocheffizienten Bereichen aus möglichst kurzer sowie zentraler Distanz abzuschließen. Unter allen 92 Rückraumspielern mit mindestens 20 Würfen aus dem Feld kommt die Nummer 19 der Füchse in der laufenden Spielzeit ähnlich wie in der Vorsaison mit 7,0 Metern auf die neuntkürzeste durchschnittliche Wurfdistanz (ohne Siebenmeter, direkte Freiwürfe und Gegenstöße). Dazu kommen noch 1,9 Tore pro Spiel aus Erste-Welle-Gegenstößen pro Spiel, von denen er bisher noch keinen einzigen vergeben hat. 

Bei Gidsels Rückraumpartner Andersson sieht dies etwas anders aus. Seine Würfe kommen aus durchschnittlich 8,2 Metern, was unter den 92 Rückraumspielern mit mindestens 20 Würfen aus dem Feld Rang 66 von 92 der kürzesten Wurfdistanzen bedeutet. 54,3 % seiner Abschlüsse sind aus mehr als 8,5 Metern, bei Gidsel sind es lediglich 16,2 %. 

Andersson ist also klar dem Spielertyp „Shooter“ zuzuordnen. Während seine Wurfquote mit 61,5 % schlechter als Gidsels ist, ist dies unter allen 30 Spielern mit mindestens 20 Feldwürfen sowie einem Anteil an Würfen aus 8,5 Metern von mehr als 50,0 % die sechstbeste Quote. Unter den 29 Spielern der LIQUI MOLY HBL mit mindestens sechs Feldwürfen pro Spiel und die Hälfte aller Spiele reicht es für ihn zu einem durchschnittlichen zwölften Platz. 

Wie Gidsel hat sich auch Andersson im Vergleich zum Vorjahr in seiner Wurfquote verbessert (+4,1 Prozentpunkte). Angesichts des ebenfalls für beide deutlich gestiegenen Anteils der zuvor erwähnten offensiven Verantwortung (+6,6 % bei Gidsel, +10,0 % bei Andersson) sind solche Verbesserungen, wenn sie über die gesamte Saison bestätigt werden können, herausragende Leistungen. 

Der starke Fokus auf zwei Spieler birgt aber natürlich auch Risiken. Bei einem Ausfall einer der Beiden, wird es für die Berliner schwierig ihre herausragende Offensivperformance aufrechtzuerhalten. Gleichzeitig wird es spannend zu sehen sein, ob die beiden Dänen bei dieser Last diese Leistung über eine komplette Saison abrufen können. Gelingt es ihnen jedoch, stehen die Chancen nicht schlecht, dass die Meisterschale am Ende der Saison erstmals nach Berlin geht. 

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Foto: Klahn