15.12.2022  LIQUI MOLY HBL

Mattias Andersson vor dem Kracher in Flensburg: „Nordderbys sind die geilsten Spiele überhaupt“

Über 50 Mal stand Mattias Andersson zwischen den Pfosten, wenn im emotionalen „Clasico“ des deutschen Handballs die beiden Nordklubs aufeinandertrafen. Und der Schwede kennt beide Seiten, von 2001 bis 2008 war Andersson Torwart des THW Kiel, von 2011 bis 2018 spielte er für die SG Flensburg-Handewitt, um dann wieder zu den Zebras zurückzukehren - als Torwarttrainer.

Am Sonntag (14 Uhr, live auf SKY) steht das 107. schleswig-holsteinische Landesderby auf dem Programm. Gastgeber Flensburg hat als Tabellenfünfter bereits sechs Punkte Rückstand auf den neuen Spitzenreiter aus Kiel. In der Derbystatistik stehen 64 THW-Siege, fünf Remis und 37 Erfolge für die SG. Das letzte - wieder einmal dramatische - Aufeinandertreffen in der LIQUI MOLY HBL gewann Kiel im Mai 2022 mit 28:27 - ein entscheidender Meilenstein für die Zebras auf dem Weg zur Vizemeisterschaft, während die SG durch die Niederlage erstmals seit zehn Jahren nicht mehr in der Königsklasse, sondern der European League startet.

Dass Andersson (44) in rund der Hälfte aller Derbys auf dem Feld stand, lag an der besonderen Konstellation der vergangenen Jahre: „Weil wir so oft in der Champions League aufeinander trafen, gab es Spielzeiten mit bis zu sechs Derbys“, sagt der Schwede, der sechs Mal mit Kiel und einmal (2018) mit Flensburg deutscher Meister wurde.

Während die SG ihre internationale Aufgabe vor dem Derby mit einem 42:30-Kantersieg gegen FTC Budapest am Dienstag bravourös löste, steht für den THW am Donnerstagabend noch das wichtige Champions-League Spiel im dänischen Aalborg an. „Erst danach werden wir unseren ganzen Fokus auf das Derby legen“, sagt Andersson: „Die Vorbereitung auf das Spiel in Flensburg wird nicht anders sein als für andere Spiele. Auch am Sonntag geht es auch nur um zwei Punkte - aber wer dieses Duell schon einmal erlebt hat, weiß: diese Derbys sind die geilsten Spiele überhaupt. Jeder weiß, worum es geht, denn es geht immer um viel, wenn Kiel und Flensburg gegeneinander spielen. Und trotz allem: Man muss solche Partien als Spieler auch genießen.“

Zweimal standen sich Kiel und Flensburg sogar in Champions-League-Finals gegenüber, zweimal war Andersson beteiligt, und zweimal stand er am Ende auf dem Siegerpodest: 2007 mit dem THW, 2014 mit der SG. „Das waren natürlich ganz besondere Derbymomente“, sagt der Schwede, der aber zwei andere Partien als seine persönlichen Derby-Höhepunkte auswählt: „Mein erster Derbysieg in Flensburg am letzten Spieltag der Saison 20001/02, meiner ersten in Deutschland. Wir gewannen 26:24 und wurden im Fernduell mit Nordhorn in Flensburg deutscher Meister - mein erster großer Titel mit dem THW.“ Und Spiel zwei markierte das Karriereende: „Der Empfang durch die Kieler Fans für mich bei meinem letzten Spiel war unglaublich. Und dann wurde ich mit dem 29:25-Sieg in Kiel 2018 mit Flensburg auch noch erstmals deutscher Meister.“

Andersson erinnert sich an viele hitzige Duelle der beiden Teams, meint aber auch: „Heute geht es etwas ruhiger zu. Das liegt bestimmt auch daran, dass sich die Spieler alle sehr gut kennen, dass zum Beispiel viele Skandinavier auf beiden Seiten spielen, die gemeinsam in ihren Nationalteams auflaufen, und dass es in den letzten Jahren eben auch so viele Derbys gab.“

Aber generell sei jedes Nordduell etwas Besonderes, wegen der Rivalität, wegen der Fans, wegen der Emotionen - und: „Jeder weiß immer um die Bedeutung, egal, wie die Tabellenkonstellation gerade ist.“ Dass der THW als Tabellenführer ins nächste Derby geht und die SG als Fünfter, ist für Andersson nur eine Momentaufnahme: „Die Saison dauert noch über ein halbes Jahr, da kann noch so viel passieren, da stehen noch so viele Spiele an.“ Auch eine Favoritenrolle gäbe es im Nord-Klassiker nie: „Derbys sind wie Pokalspiele, die haben ihre eigenen Gesetze.“

Anderson gehört zu den wenigen Spielern, die für beide Seiten aufliefen - er kam aus Kiel über den Umweg Großwallstadt nach Flensburg. Den direkten Weg ging aus den aktuellen Kadern nur Steffen Weinhold, der mit seinem letzten großen Spiel für die SG den THW im Champions-League-Finale 2014 schlug und dann nach Kiel wechselte. Am Sonntag - und für viele Monate - wird Weinhold allerdings wegen einer Ende November erlittenen Kreuzbandverletzung fehlen.

Auch bei Flensburg stehen kaum noch Spieler im Kader, mit denen Andersson noch zusammenspielte. Daher freut er sich besonders auf das Treffen mit dem neuen SG-Geschäftsführer Holger Glandorf: „Wir kamen beide zusammen nach Flensburg, haben dann viele Jahre gemeinsam gespielt.“ Und welchen Tipp hat der Torwarttrainer, der in der Saison 2020/21 noch achtmal zwischen den THW-Pfosten aushalf, für Sonntag? Ganz einfache Antwort: „Ich tippe nie, auch nicht die Derbys.“

Foto: Klahn