31.08.2021  Handball Super Cup

Pixum Super Cup: Das große Doppelinterview der Titel-Trainer

Filip Jicha und Florian Kehrmann liefen als Spieler gemeinsam für den TBV Lemgo auf und auch als Trainer kreuzten sich schon ihre Wege. So wie im Halbfinale des DHB-Pokals und nun beim Pixum Super Cup. Wir hatten sie vor der ersten Titelentscheidung der Saison 2021/22 im großen Doppelinterview.

Herr Kehrmann, Herr Jicha, von 2005 bis 2007 spielten Sie zusammen beim TBV Lemgo. Wie gut kennen Sie sich?

Florian Kehrmann (44): Ich bin der Ältere, also darf ich auch anfangen mit dem „Lästern“.

Aber unbedingt.

Kehrmann: Filip kam aus St. Gallen in der Schweiz zu uns. Und er kam als talentierter Rückraum-Werfer. Ich sage bewusst „Werfer“. Er wollte immer nur aufs Tor werfen. Hier in Lemgo hat er dann die Plattform bekommen, auch das Handballspielen zu lernen.

Filip Jicha (39): Ich weiß noch genau, wie unglaublich nervös ich beim ersten Training war. Plötzlich musste und sollte ich mit den Jungs spielen, die ich nur aus dem Fernsehen kannte. Mit denen, die sich TBV Deutschland nannten. Davor hatte ich einen Riesenbammel. Auch, weil mir da klar wurde, welche Rolle ich defensiv übernehmen sollte, nämlich im Mittelblock. Nein, ich hatte mich beim ersten Training nicht wohlgefühlt. Doch ich wurde riesig aufgenommen. Beim zweiten Training war ich dann voll dabei. Dann lief es.

Es lief für Sie in Lemgo so gut, dass Sie nach zwei Jahren zum THW Kiel wechselten, einer der besten Spieler der Welt und 2010 sogar Welthandballer wurden. War dieser Aufstieg in Lemgo abzusehen?

Jicha: Als ich nach Lemgo kam, da hätte ich alles gemacht, was man mir gesagt hat. Ich wäre vermutlich auch 30mal aus dem Fenster gesprungen, wenn der Trainer mir das aufgetragen hätte. Ich habe in Lemgo enorm viel gelernt.

Kehrmann: Ich habe von Filip stark profitiert. Er war ein super Zweikämpfer – und spielte dann die Bälle rechts raus zu mir. Im Tempospiel zwischen uns beiden ging es schon ziemlich gut ab. Filip gehört zu den besonders Ehrgeizigen, die in jedem Sport gewinnen wollen. Er ist sicherlich nicht der beste Fußballer, aber auch da hatte er immer richtigen Ehrgeiz.

Eine Gemeinsamkeit zwischen Ihnen?

Kehrmann: Filip kam damals in eine Mannschaft, die schon viel erreicht hatte. In dieser Atmosphäre hat er vielleicht noch mehr verinnerlicht, wie er erfolgreich wird. Diese Einstellung kann den Unterschied zwischen einem Bundesliga- und einem Weltklassespieler ausmachen. Und ich denke, diese Einstellung geben wir beide nun auch als Trainer weiter.

Herr Kehrmann, warum haben Sie anders als Jicha Lemgo nie verlassen?

Kehrmann: Ich hätte auch mal zum THW Kiel gehen können.

Jicha: Was? Ich wollte dich da nicht haben! (lacht laut)

Kehrmann: Da warst du noch gar nicht dort. Nein, es gab tatsächlich mal einen Kontakt zum THW, damals, als Noka Serdarusic dort noch Trainer war. Filip hat die Fähigkeit, immer den nächsten richtigen Schritt zu machen. Ich bin ein Typ, der gerne sesshaft ist. Das ist nicht unbedingt eine schlechte Eigenschaft. Dabei hatte ich das Glück, dass sich der Verein mitentwickelt hat.

Mit Verlaub, Herr Kehrmann. Vor allem hat der TBV Lemgo doch Glück gehabt, dass Sie den Klub in schwieriger Zeit vor dem Abstieg gerettet, wieder gefestigt – und nun sogar zum DHB-Pokalsieger gemacht haben.

Kehrmann: Es ist schön, dem Klub etwas zurückgeben zu können. Daran wächst man auch selbst.

Jicha: Flo, das kann ich absolut gut nachvollziehen. Der THW Kiel ist mein Verein, der mir so viel gegeben hat. Auch ich will nun in meiner Arbeit als Trainer dem Klub etwas zurückgeben. Was bei Flo und mir sicher identisch ist, das ist der Anspruch an uns selbst. Der ändert sich nicht. Egal, ob Sportler oder Trainer. Diese Reise endet nie. Man sollte den Lernprozess dabei als lebenslangen Weg ansehen.

Mit dem Gewinn der Meisterschaft und der Champions League hat der THW eine grandiose Saison gespielt. Aber im Halbfinale um den DHB-Pokal scheiterte Kiel am späteren Pokalsieger Lemgo. Sind die beiden Titel von Kiel oder der Pokal-Coup von Lemgo die größere Sensation?

Kehrmann: Man sollte nicht immer versuchen, einen Superlativ mit einem weiteren Superlativ zu toppen. Unser Titelgewinn war eine Sensation, die noch hoffentlich lange Früchte tragen wird, die uns pushen und nicht belasten sollte. Aber der THW hatte eigentlich von den vier Teams im Final4 der Champions League die schlechtesten Voraussetzungen: schwere Verletzungen, eine kuriose und nur kurze Vorbereitung. Das wurde dann so ein Mentalitätsding.

Jicha: Als Lemgo das Halbfinale gegen uns nach unserer 7-Tore-Führung zur Halbzeit noch drehte und gewann, da war mir eigentlich klar, dass sie auch gegen Melsungen den Pokal holen. Und zwar absolut verdient. Ich habe mich darüber auch gefreut. Ich bin nämlich noch in der „TBV-Legenden-Gruppe“ bei WhatsApp. Darin habe ich natürlich nach unserer Pleite im Halbfinale ordentlich was zu lesen bekommen, was mich nicht gerade fröhlich gestimmt hat!

Mit welchen Erwartungen gehen Sie nun ins Finale um den Pixum Super Cup?

Kehrmann: Als Trainer habe ich mit dem Super Cup ja noch gar keine Erfahrung. Aber es ist schon ganz lustig. Vorher erklärt man immer – na ja, das ist Teil der Vorbereitung. Aber es ist ein Titel. Dafür spielt man. Aber ich gebe zu, dass ich mich generell auch total auf das Event freue. Endlich sind wieder Zuschauer dabei. Und der Pixum Super Cup ist genau wie das REWE Final4 um den DHB-Pokal einfach eine überragend organisierte Veranstaltung.

Jicha: Wir haben unsere Mannschaft erst eine Woche vor dem Pixum Super Cup komplett zusammen. Sieben Spieler waren bei den Olympischen Spielen, das ist eine Herausforderung für den Trainerstab. Aber ich verliere einfach nicht gerne.

Sie waren beide Weltklasse-Spieler, sind nun Trainer. Was macht an diesem Job am meisten Spaß?

Jicha: Für mich ist wichtig: nicht verrückt machen lassen, niemanden kopieren und den eigenen Weg gehen. Ich mache das, was für mich funktioniert. Würde das jedoch nicht funktionieren, dann wäre auch der Trainerjob nichts. Dann müsste ich damit aufhören. Am meisten Spaß macht mir der Trainingsprozess, dort zu sehen, wie Dinge klappen und wie sich Spieler entwickeln.

Kehrmann: Ich bin ja schon ein wenig länger Trainer als Filip und erkenne bei ihm einiges wieder aus meinen Anfängen. Im Fußball ist der Trainer ja fast nur noch der Medienbeauftragte, der alles überwacht. Ein Fußballtrainer aus der Bundesliga war mal völlig perplex, zu sehen, was wir alles selbst machen. Ich bin sehr glücklich, Dinge kreieren zu dürfen. Und wenn die Jungs dann nach einem harten, effektiven Training noch lachend in der Kabine sitzen, dann geht man glücklich nach Hause.

Tickets für den Pixum Super Cup gibt es hier.