01.06.2021  DHB-Pokal

MT Melsungen: Sehnsucht nach dem ersten Titel

Silvio Heinevetter war neugierig. Und wollte helfen. Also bat der Torwart der deutschen Handball-Nationalmannschaft um Videos mit Spielen der A-Jugend seines neuen Klubs, der MT Melsungen. Lange und intensiv studierte Heinevetter Wurfbilder sowie Keeper-Paraden und leitete daraus Tipps für die jungen Melsunger Torwart-Talente ab.

„Diese Aktion hatte eine unglaublich motivierende Wirkung in unsere Jugendabteilung und zeigte eindrücklich, was für ein Teamplayer Silvio ist“, schwärmte Melsungen-Manager Axel Geerken.

Heinevetter kam zu dieser Saison von den Füchsen Berlin nach Melsungen. Mit den Füchsen hatte er 2014 den DHB-Pokal geholt. Dieser Erfolg war seinerzeit der sichtbare Beleg dafür, dass die Hauptstadt-Handballer zum Spitzenklub geworden waren. Die MT Melsungen will ebenfalls diesen Beweis antreten. Mit einem Pokalsieg – es wäre der erste Titel der Klubgeschichte – wäre dieser Beweis erbracht.

Melsungen bezwang übrigens auf dem Weg zum REWE Final4 2020 die Füchse. Im Viertelfinale verlor Heinevetter noch mit Berlin gegen seinen neuen Klub mit 30:33. Die durch Corona verursachte Verzögerung schafft nun die Besonderheit, dass Heinevetter dennoch zum zweiten Mal in seiner Laufbahn den DHB-Pokal holen könnte. 

Wer auf den Kader der MT Melsungen schaut, der gerät in Versuchung zu sagen: „Titel-Potenzial!“

Kein Klub der LIQUI MOLY HBL hat mehr deutsche Nationalspieler in seinen Reihen. Neben Heinevetter sind vor allem Timo Kastening, Tobias Reichmann, Kai Häfner, Finn Lemke und Julius Kühn beim DHB nahezu gesetzt und hoffen auf ihre Olympia-Teilnahme im August in Tokio.

Einst galt der TBV Lemgo als „TBV Deutschland“ - nun hat das Team des isländischen Trainers Gudmundur Gudmundsson etwas von der „MT Deutschland.“ 

Das haben wir nicht angestrebt“, sagt MT-Manager Geerken gleichwohl. Für ihn zählt in der Kader-Zusammenstellung Leistung, nicht Nationalität. 

So richtig zufrieden sind sie in Melsungen nicht mit dem Saisonverlauf. Ein holpriger Start verhinderte früh das Attackieren der Spitzengruppe. Erst in diesem Jahr, nach der WM, wurde endlich sichtbar, was Melsungen bei allem Star-Potenzial so dringend braucht: ein Plus an Stabilität. Nicht nur die Torhüter steigerten sich erheblich. Auch der Rest der Mannschaft trat robuster, fokussierter auf. „Das ist ein Schritt, den wir noch machen müssen“, sagt Geerken.

Trainer Gudmundsson ist seit Februar des Vorjahres für die MT-Profis verantwortlich. Es hat eine Zeit gebraucht, bis die Spieler das System ihres Coaches verinnerlicht haben. Gudmundsson setzt meist auf eine klare erste Sieben (mit Ausnahme des Wechselspiels im Tor). Weniger Rotation führt natürlich zu klareren Abläufen und Automatismen im Kreis der Auserwählten. Andererseits muss man aufpassen, dass das Leistungsgefälle nicht zu groß wird. Das ist eine durchaus anspruchsvolle Aufgabe bei einem Kader, der mit herausragenden Einzelkönnern gespickt ist.

Im Halbfinale des REWE Final4 2020 wartet nun ausgerechnet die TSV Hannover-Burgdorf. Von dort kam Timo Kastening zu dieser Saison (und hat auf Anhieb sensationell eingeschlagen), davor bereits Kai Häfner. Zur nächsten Saison auch noch Ivan Martinovic. 

Kurzum: in diesem Halbfinale ist Feuer, Rivalität, da brennt die Luft. „Das wird schwer genug, deshalb sollten wir uns davor nicht zu viel mit einem möglichen Finale befassen“, mahnt Geerken.

Lieber erstmal mit Wurfbildern von Hannovers „Recken“. Und zwar nicht nur Torwart Silvio Heinevetter.

Foto: Alibek Käsler