08.06.2023  LIQUI MOLY HBL

Zum Heimsieg gezittert: Melsungen kämpft weiter um Europa

Nach einer mitreißenden Aufholjagd hat die MT Melsungen ihr letztes Heimspiel in dieser Saison doch noch für sich entschieden. Gegen den Tabellenletzten aus Hamm lagen die Gastgeber über weite Strecken der Partie im Hintertreffen, gaben sich aber zu keinem Zeitpunkt geschlagen. Sekunden vor Ende war es dann Rechtsaußen Timo Kastening, der die Hausherren per Siebenmeter mit 30:29 in Führung brachte. Mit dem letzten schnellen Angriff waren die Gäste nicht mehr erfolgreich.

Durch die zeitgleiche Niederlage des HSV Handball in Berlin hat die MT Melsungen zugleich ihre theoretische Chance auf Platz sechs gewahrt. Dazu war vor 3.364 Zuschauern in der Kasseler Rothenbach-Halle allerdings ein Kraftakt nötig, denn die als Absteiger bereits länger feststehenden Gäste führten lange und zum Teil mit bis zu fünf Toren Vorsprung. In der kritischen und letztlich entscheidenden Phase läutete Kapitän Kai Häfner, der am Ende ebenso wie Timo Kastening auf sieben Tore kam, den Schlussspurt ein. Auf je fünf Tore kamen Yonatan Dayan und Stefan Bauer für den ASV. 

Die erste Überraschung des Tages bot gleich die Starformation der MT: Youngster Florian Drosten bekam auf Linksaußen den Vorzug gegenüber David Mandic, Andre Gomes durfte sofort von Beginn an ran, Domagoj Pavlovic gab anstelle von Agustin Casado den Spielmacher und Adam Morawski hütete trotz der zuletzt grandiosen Leistungen von Nebojsaa Simic das Tor. Da ließ sich Julius Kühn im rechten Rückraum schon fast als mittlerweile gewohnt verbuchen. Und der sorgte mit einem feinen Sprungwurf von ebendieser Position auch für den ersten Treffer der Hausherren. Es war allerdings der Ausgleich zum 1:1 (5.), weil zuvor bereits Stefan Bauer genetzt hatte.

Es gab auf beiden Seiten zunächst nur wenig Zählbares. Hamm tat sich schwer gegen die gut stehende MT-Deckung mit Gleb Kalarash und Arnar Freyr Arnarsson im Innenblock, stand dafür aber in der Deckung nicht schlechter als Melsungen. Bezeichnend, dass die nächsten beiden Treffer jeweils durch Tempogegenstöße fielen. Erfolgreich war Florian Drosten, der das Vertrauen seines Trainers Roberto Garcia Parrondo damit schon früh rechtfertigte. Zwei weitere Ballgewinne gingen ebenfalls auf sein Konto, so dass sich die MT durch Domagoj Pavlovic auf 5:3 (12.) und, auch wieder per Gegenstoß, durch Timo Kastening sogar auf 6:3 (14.) absetzte.

Mehr wäre sicher möglich gewesen, doch mit der Konzentration im Positionsspiel haperte es etwas. Auf der anderen Seite hätte Hamm genau daraus wesentlich mehr Kapital schlagen können, wenn nicht Adam Morawski mehrfach mit Paraden geglänzt hätte. Doch als Andre Gomes mit der ersten Strafe der Partie draußen saß, reichte es bereits zum Ausgleich (18.), den Björn Zintel vom eigenen Kreis ins verlassene Melsunger Tor erzielte. Kurz darauf machten Yonatan Dayan und noch einmal Zintel mit Gegenstößen die Wende perfekt: 7:9 (21.).

Mit Kai Häfner, Agustin Casado und Aidenas Malasinskas im Rückraum lief es nach einer Auszeit anschließend tatsächlich flüssiger. Die hohe Fehlerfrequenz blieb allerdings erhalten, so dass Hamm nicht einmal so viel tun musste, um einfach über die Vielzahl von quasi „geschenkten“ Angriffsaktionen, selbst gegen einen weiterhin gut aufgelegten Adam Morawski, durch Stefan Bauer zum 9:12 (26.) zu kommen. Ein zwar glücklicher, aber keinesfalls unverdienter Drei-Tore-Vorsprung der Westfalen, von dem die MT bis zur Pause trotz eines Treffers durch Julius Kühn keinen mehr abknabbern konnte, weil bei abgelaufener Spielzeit Fabian Huesmann seinen dritten Siebenmeter sicher verwandelte. 

Dafür erwischte Melsungen den besseren Start in Durchgang zwei mit einem Tor von Julius Kühn und einer bärenstarken Doppelparade Adam Morawskis, die für Stimmung auf den Rängen sorgte. Als Initialzündung genügte das indes noch nicht, weil David Mandic prompt der nächste technische Fehler unterlief, Kühn im nächsten Versuch in Felix Hertlein seinen Meister fand und Fabian Huesmann von der Siebenmeterlinie untadelig blieb: 14:17 (33.). Weiterhin liefen die Nordhessen also drei Toren Rückstand hinterher.

Auf zwei war aber Verlass. Agustin Casado hatte seine Unsicherheit der ersten Hälfte abgelegt und traf im Dreierpack: 18:19 (38.). Möglich gemacht durch zuverlässige Präsenz von Adam Mowawski. Der schraubte sein Paradenkonto weiter nach oben, konnte aber dennoch einen 0:4-Lauf, vollendet von Savvas Savvas zum 18:23 (43.) nicht verhindern. Unmut machte sich breit auf den Rängen, richtig unangenehm wurde es nach einem Pass von Julius Kühn auf David Mandic, der gut einen Meter zu hoch angesetzt auf der Tribüne landete. Zeit für den Aktivposten auf der Bank: Nebojsa Simic forderte gestenreich Einsatz und Kampfeswille – auf wie neben dem Feld. 

Mit Erfolg! Es wurde wieder (positiv) lauter, Kai Häfner fasste sich ein Herz, trug das Leder nach Ballgewinn hinten ins Netz vorn: 21:24 (45.). Adam Morawski ballte zum zwölften Mal bereits die Faust, nachdem er Yonatan Dayan das Erfolgserlebnis vereitelt hatte, von der Siebenmeterlinie blieb Timo Kastening kompromisslos und ohne jedes Antäuschen zum 22:24 (48.) erfolgreich, ehe Morawski Parade Nummer 13 gegen Alexander Schulze hinterherschickte. Die Aufholjagd lief also, doch noch wollte der ASV nicht klein beigeben: Stefan Bauer erhöhte wieder auf drei vor (50.). 

Der Anschluss war durch Arnar Freyr Arnarssons 24:25 (52.) gerade wieder hergestellt, da drohte die ganze Anstrengung durch Agustin Casados Zeitstrafe ihren Wert zu verlieren. Der richtige Spirit war aber da und standesgemäß ging der Kapitän voran: zwei herrliche Einzelleistungen von Kai Häfner hielten die Partie beim 26:27 (54.) offen. Eine Vorarbeit, die Timo Kastening mit seinem erfolgreichen Nachwurf zum direkt vorher vergebenen Siebenmeter aufgriff und Julius Kühn 110 Sekunden vor dem Schlusspfiff mit dem 29:29 veredelte. Nur noch 15 Sekunden waren auf der Uhr, als Augustin Casado siebenmeterreif gefoult wurde, und nur noch elf Sekunden, als Timo Kastenings Strafwurf zum 30:29 im Netz einschlug. Das reichte schließlich, weil der letzte, der ultimative Jubel dem Mann des Tages gehörte: Adam Morawski war sensationell zur Stelle, als Yonatan Dayan den finalen Wurf auspackte – und am Polen scheiterte.

Statistik:

MT Melsungen: Morawski (15 Paraden / 27 Gegentore), Simic (bei zwei Siebenmetern, 0 P. / 2 G.) - Kühn 5, Malasinskas 1, Casado 3, Ignatow, Drosten 2, Arnarsson 2, Waldgenbach, Gomes, Kalarash 1, Häfner 7, Fuchs, Kastening 7/2, Mandic 1, Pavlovic

ASV Hamm-Westfalen: Hertlein (10 P. / 30 G.), Bozic (n. e.) - Huesmann 4/4, Fuchs, Patrail, Zintel 4, Pretzewofsky 1, Bornemann 2, Meschke, Dayan 5, Savvas 2, Boenigk 4, Schulze 2, Bauer 5

Schiedsrichter: Julian Fedtke (Berlin) / Niels Wienrich (Berlin)

Zeitstrafen: 6 – 4 Minuten (Gomes 15:48, Kalarash 46:59, Casado 51:32 - Bauer 21:05, Bornemann 29:45)

Strafwürfe: 3/2 – 4/4 (Kastening scheitert an Hertlein 56:57)

Zuschauer: 3.364 in der Rothenbach-Halle, Kassel

Quelle: MT Melsungen / Foto: Hartung