21.12.2022  LIQUI MOLY HBL

Wie Rúnar Sigtryggsson den SC DHfK Leipzig zurück auf die Erfolgsspur gebracht hat

Seit Trainer Rúnar Sigtryggsson beim SC DHfK das Ruder übernommen hat, läuft es wieder rund bei den Leipzigern. Der Isländer feierte ganze sechs Siege am Stück, ehe es am vergangenen Sonntag gegen den Bergischen HC die erste Niederlage gab. In der neuen Ausgabe von „ÜberZahl“ analysiert Datenanalyst Julian Rux, was der Isländer bei den Sachsen verändert hat.

Rückkehr zu alter Stärke in der Verteidigung

In den vergangenen Jahren zeichnete den SC DHfK Leipzig besonders seine Defensivstärke aus. Mit 26,1 Gegentoren pro 50 Ballbesitze stellten sie in der vergangenen Saison die fünftbeste Verteidigung. 2020/21 war es mit 26,5 Gegentoren die siebtbeste Verteidigung.

Während sie durchschnittliche gegnerische Wurfquoten zuließen, waren sie besonders bei den erzwungenen Ballverlusten stark. 10,5 Mal pro 50 Ballbesitze verloren die Gegner der Sachsen in der vergangenen Saison den Ball. Besser war nur der Meister aus Magdeburg. 2020/21 waren es 10,6, damals waren nur der SCM sowie Meister THW Kiel besser.

Zu Beginn der aktuellen Saison war davon nicht viel zu sehen. Nach zehn Spielen stellten sie mit 27,0 Gegentoren pro 50 Ballbesitze nur noch die zwölftbeste Defensive. In absoluten Zahlen scheint dies zwar gar nicht so viel schlechter zu sein als im Vorjahr, doch dies hängt auch damit zusammen, dass zu Saisonbeginn die allgemeine Effizienz deutlich unter den Vorjahren lag. Im Vergleich zum Rest der Liga kassierten die Leipzger in den Vorjahren 1,2 beziehungsweise 0,9 Gegentore pro 50 Ballbesitze weniger als der Durchschnitt. Nach den ersten zehn Spielen der aktuellen Saison waren es 0,5 mehr als der Ligaschnitt.

Auch die erzwungenen Ballverluste waren keine Stärke mehr. Mit 9,5 pro 50 Ballbesitzen nach zehn Spielen lagen sie dort sogar nur noch auf Rang 13.

Seit Sigtryggsson am 8. November das Ruder bei den Körperkulturellen übernommen hat, ähneln die Zahlen wieder stark denen aus den Vorjahren. Lediglich 25,3 Gegentore pro 50 Ballbesitze haben sie seitdem kassiert. Besser waren in diesem Zeitraum nur die SG Flensburg-Handewitt sowie die MT Melsungen. Mit 9,9 gegnerischen Ballverlusten pro 50 Ballbesitze sind sie hier das viertbeste Team.

Neu entdeckte Stärke im Angriff

In der Offensive hatte der SC DHfK hingegen in den vergangenen Spielzeiten Probleme. 26,0 Tore pro 50 Ballbesitze in der vergangenen Saison waren deutlich unterdurchschnittlich und reichte nur für Rang 14. 2020/21 lagen sie mit 26,4 ebenfalls dem 14. Platz.

Der Angriff des sechsfachen DDR-Meisters funktionierte zu Saisonbeginn unter Haber jedoch noch weniger als in den Vorjahren. Auf 50 Ballbesitze gerechnet erzielten sie lediglich 24,3 Tore, welcher der drittschlechteste Wert der Liga war.

Seit Sigtryggssons Ankunft erzielt Leipzig 28,4 Tore pro 50 Ballbesitze, was seither der sechstbeste Wert ist. Zum einen verlieren sie deutlich seltener den Ball (vor Sigtryggsson 11,4 pro 50 Ballbesitze, unter Sigtryggsson 8,7) und auch die Wurfquote ist gestiegen (von 59,5 % auf 63,9 %).

Die Verbesserung der Wurfquote hat verschiedene Hintergründe, die die jeweiligen Shot Charts zeigen. Darin werden die Effizienz und Häufigkeit der Würfe pro Bereich vor und seit Sigtryggsson gezeigt. Siebenmeter und (Erste-Welle-)Gegenstöße (zu denen Würfe auf das leere Tor gehören) werden nicht in der Grafik dargestellt.

Die vielen verschiedenen Farben der Bereiche zeigen die Effizienz im Vergleich zu den Saisondurchschnittswerten in diesen Bereichen. Je dunkler das Grün, desto effizienter sind sie in diesem Bereich, je dunkler das Rot, desto ineffizienter sind sie.

Dabei fällt auf den ersten Blick auf, dass die Effizienzunterschiede in den Bereichen gar nicht so groß sind. Wirklich deutliche Unterschiede gibt es lediglich in den spitzen Winkeln links aus Angriffsrichtung gesehen. Seit Sigtryggsson Trainer der Sachsen ist, ist die Wurfquote hier von 59,9 % auf 90,9 % angestiegen. Gleichzeitig ist der Anteil der Würfe von dieser Position aber auch deutlich von 9,4 % auf 4,2 % gesunken.

Insgesamt hat sich die Wurfquote sowohl von mehr als 8,5 Metern, als auch von 6,5 bis 8,5 Metern etwas verbessert. Aus dem Bereich mit der eigentlich höchsten Effizienz, den drei mittleren Positionen aus weniger als 6,5 Metern gab es sogar einen leichten Rückgang von 73,2 % auf 66,7 %.

Doch die Auswirkungen der Veränderungen der jeweiligen Bereichs-Effizienzen werden überlagert von den Auswirkungen der veränderten Wurfauswahl. Während in den ersten zehn Spielen noch 22,4 % aller Würfe aus dem ineffizienten Bereich von über 8,5 Metern kamen, sind es seither nur noch 14,9 %. Auch die durchschnittliche Wurfdistanz ist von 7,1 Metern auf 6,9 Meter gesunken.

Die Entwicklung bei den Siebenmetern wirkt sich ebenfalls sehr positiv auf die Wurfquote aus. Durch den weniger auf Rückraumwürfe fokussierten Spielstil haben sie in den sieben Spielen unter Sigtryggsson nur zwei Siebenmeter weniger als in den ersten zehn Spielen herausgeholt. Den Einfluss des Isländers darauf, dass unter ihm sogar mehr Siebenmetertore als in den Spielen vor ihm erzielt wurden und die Quote entsprechend um neun Prozentpunkte gestiegen ist, lässt sich hingegen maximal damit erklären, dass er das Selbstvertrauen seines Landsmanns Viggó Kristjánsson, der der erste Siebenmeterschütze der Leipziger ist, stärken konnte.

Der letzte Grund für die gestiegene Wurfquote ist, dass der SC DHfK mittlerweile deutlich mehr Gegenstöße läuft. In den letzten sieben Spielen schlossen sie 51-mal im (Erste-Welle-) Gegenstoß (inklusive Würfen auf das leere Tor) ab. In den ersten zehn waren es hingegen insgesamt lediglich 46 Gegenstöße. Auch hier ist gleichzeitig auch die Wurfquote von 67,4 % auf 76,5 % gestiegen.

Auch der Einsatz ist gestiegen

Positiv auf die Wurfauswahl wirkt scheinbar auch, dass Sigtryggsson seinem Team mehr Freiheiten im Angriff gibt, wie Simon Ernst im Interview bei Sky erklärte. Eine Folge davon ist offensichtlich, dass Leipzig schneller spielt und, natürlich begünstigt durch die gestiegene Anzahl an Ballgewinnen, mehr Gegenstöße läuft. Entsprechend sind auch die Angriffe unter dem Isländer um 2,4 Sekunden kürzer als zuvor.

Insgesamt sind also deutliche Veränderungen seit der Ankunft von Sigtryggsson zu erkennen. Ob diese aus taktischer Sicht – besonders in der Defensive – komplett auf ihn zurückzuführen sind, ist schwer zu beantworten. Denn zum einen haben die Leipziger Spieler in Interviews immer wieder betont, dass er nicht so viel verändert habe. Zum anderen waren die Defensivstatistiken auch in den Vorjahren bereits unter Haber gut.

Offensiv zeigen die Wurfstatistiken hingegen eine Entwicklung des Spielstils in die statistisch begrüßenswerte Richtung. Von den Sphären des SC Magdeburg sind sie natürlich noch deutlich entfernt.

Was Sigtryggsson aber offensichtlich geschafft hat, ist die Mannschaft neu zu motivieren und zu fokussieren. Das zeigen nicht nur die verbesserten Effizienzwerte und Ergebnisse, sondern auch, dass seit er den Trainerposten übernommen hat, kein anderes Team mehr gelaufen ist (33,6 km pro Spiel) und auch kein anderes Team eine größere Distanz in der nach Definition von Kinexon höchsten Sprint-Kategorie hinter sich gebracht hat (1,3 km pro Spiel).

Julian Rux ist Datenanalyst. Auf Handballytics.de findet ihr seine neusten Artikel, in denen er aus neuen, datenbasierten Blickwinkeln alle möglichen Themen rund um den Handball analysiert. Ihr findet ihn auch auf Instagram, Facebook und Twitter.