12.04.2023  LIQUI MOLY HBL

ÜberZahl – Die Zahlenkolumne: Form-Check vor dem REWE Final4

Am Wochenende treffen die SG Flensburg-Handewitt, die Rhein-Neckar Löwen, der SC Magdeburg sowie der TBV Lemgo Lippe im REWE Final4 aufeinander. In der neuen Ausgabe von „ÜberZahl“ analysiert Datenanalyst Julian Rux die aktuelle Form der vier verbliebenen Teams in der LIQUI MOLY HBL.

Der Blick auf die Tabelle seit der Weltmeisterschafts-Pause gibt einen guten Überblick, wie die vier Teams aktuell einzuschätzen sind. Mit 14:6 Punkten (1,4 Punkte pro Spiel) ist der SC Magdeburg zwar Rückrunden-Tabellenführer, den besten Punkteschnitt hat jedoch die SG Flensburg-Handewitt mit 1,9. Lediglich beim Unentschieden bei FRISCH AUF! Göppingen musste das Team von Mike Machulla einen Punkt abgehen.

Bei den anderen beiden Teams läuft es in letzter Zeit nicht so gut. Die Rhein-Neckar Löwen mussten nach der überraschend starken Hinrunde von der Tabellenspitze abreißen lassen. Mit 1,0 Punkten stehen sie auf Rang acht. Beim TBV Lemgo Lippe ist es mit 0,9 Punkten Platz 11.

Die formstarken Flensburger

Die Gründe für diese Entwicklungen liefert ein Blick auf die Effizienzwerte. Die Top-Form der Flensburger rührt von ihrer starken Leistung an beiden Enden des Feldes.  

Im Angriff liegen sie über die ganze Saison gesehen auf dem dritten Rang mit 29,6 Toren pro 50 Ballbesitze. Im aktuellen Kalenderjahr ist es sogar Rang zwei mit 31,0. Sie verlieren seit Januar den Ball am zweitwenigsten (6,9 pro 50 Ballbesitze).

Bei der Wurfquote (66,3 %) reicht es zwar aktuell nur für Rang sieben, doch die Abstände zu den fünf Teams vor ihnen sind nur gering. Besonders auffällig ist auch, dass sie im aktuellen Jahr nach 23,7 % ihrer Fehlwürfe weiter in Ballbesitz bleiben, was der Bestwert ist.

Über die gesamte Saison gesehen stellen sie sogar die beste Verteidigung mit lediglich 26,2 Gegentoren pro 50 Ballbesitze. Bei Betrachtung der Zahlen seit Januar ist es der zweite Platz mit 26,1.

Zwar verursachen die Norddeutschen nur am drittwenigsten Ballverluste (8,2 pro 50 Ballbesitze), doch sie lassen klar die geringste gegnerische Wurfquote (55,0 %) zu. Grund dafür ist natürlich zum einen das Torhütergespann aus Benjamin Buric und Kevin Møller. Gemeinsam kommen sie auf eine Paradenquote von 32,3 %. Besser sind nur die Schlussmänner des THW Kiel.

Zum anderen ist es jedoch auch die gute Defensivarbeit. Denn mit einer durchschnittlichen Distanz von 7,5 Metern (ohne Gegenstöße, Würfe auf das leere Tor, Siebenmeter und direkte Freiwürfe) erzwingt nur der Flensburger Halbfinalgegner, die Rhein-Neckar Löwen (ebenfalls 7,5 Meter, jedoch leicht höhere Nachkomastellen), Abschlüsse aus durchschnittlich größerer Distanz.

Formschwankungen bei den Löwen

Während die Spiele der Flensburger eher langsamer sind (sie zwingen ihre Gegner seit Januar zu den zweitlängsten Ballbesitzen) ist bei den Rhein-Neckar Löwen das Gegenteil der Fall. Ihre eigenen Ballbesitze sind im Mittel lediglich 29,2 Sekunden, seit Januar sogar nur 28,1, lang. Kein anderes Team braucht weniger Zeit für die eigenen Angriffe. So kommen sie aktuell auf 59,5 Ballbesitze pro Spiel, was ebenfalls Höchstwert ist.

Aufgrund der vielen Ballbesitze werfen sie in der gesamten Saison sogar die meisten Tore pro Spiel (33,6). Fair verglichen, also auf die gleiche Anzahl an Ballbesitzen gerechnet, kommen sie auf 29,2 Tore pro 50 Ballbesitze, der viertbeste Wert. In der Rückrunde sind es allerdings nur noch 28,4 Tore pro 50 Ballbesitze, was in diesem Zeitraum Rang acht bedeutet.

Besonders große Probleme haben sie aktuell bei den Ballverlusten. Dort sind sie seit Januar mit 10,4 pro 50 Ballbesitzen das schlechteste Team der Liga.

Ähnlich wie bei Flensburg ist auch die Stärke der Löwen aktuell die geringe zugelassene gegnerische Wurfquote von lediglich 59,0 % (Rang drei) sowie die guten Torhüter (32,2 %, Rang drei). Dabei zwingt die Mannschaft aus der Metropolregion Rhein-Neckar ihre Gegner nicht nur zu Würfen aus der größten Distanz, sondern sie werfen mit 62,4° aus dem zweitgrößten Winkel, also am zweitzentralsten.

Überragender Angriff, durchschnittliche Verteidigung beim Meister

Beim SC Magdeburg ist die große Stärke – wie bereits in der vergangenen Saison – der Angriff. Mit 30,8 Toren pro 50 Ballbesitze stellen sie den besten Angriff der Liga, seit dem Winter sind es sogar 31,4.

Besonders die Wurfquote sticht hierbei erneut heraus. In der vergangenen Saison hatte das Team von Bennet Wiegert eine überragende Wurfquote von 69,6 %. Aktuell führen sie die Liga hierbei wieder mit der exakt gleichen Prozentzahl an, seit Januar verwandeln sie sogar 71,7 % ihrer Versuche.

Grund dafür ist natürlich weiterhin der Spielstil des letztjährigen Vize-Pokalsiegers. Ihre Angriffe sind seit der Winterpause mit durchschnittlich 33,4 Sekunden leicht überdurchschnittlich lange, was an dem konsequenten Suchen der Eins-gegen-Eins-Situationen liegt. Deshalb spielen sie auch nach den Rhein-Neckar Löwen mit 12,2 die zweitwenigsten Pässe pro 35 Sekunden in Ballbesitz. Gleichzeitig kommen die Würfe mit 6,9 Metern aus der kürzesten Distanz aller LIQUI MOLY HBL-Teams.

Defensiv hat der amtierende Meister allerdings noch Luft nach oben. 27,3 Gegentore pro 50 Ballbesitze kassieren sie in der aktuellen Saison, was sogar minimal schlechter als der Durchschnitt ist. Seit dem Winter hat sich dieser Wert sogar auf 28,0 verschlechtert.

Beim Blick auf die detaillierteren Zahlen zur Verteidigung fällt schnell auf, dass der SCM überall auf durchschnittlichem Niveau unterwegs ist. Sowohl auf die erzwungenen Ballverluste, gegnerische Wurfquote, Paradenquote, Wurfdistanz, Wurfwinkel und einige weitere trifft dies zu.

Defensivprobleme beim Außenseiter

Noch größer sind die Defensivprobleme jedoch beim Halbfinalgegner der Magdeburger, dem TBV Lemgo Lippe. Das Team von Florian Kehrmann stellt in der aktuellen Spielzeit der LIQUI MOLY HBL die zweitschwächste Verteidigung. Sie kassieren 28,5 Gegentore pro 50 Ballbesitze. Seit der Winterpause konnten sie zwar einen Platz gut machen, der tatsächliche Wert ist mit 28,7 jedoch leicht schlechter.

Besonders auffällig ist dabei die Torhüterleistung. Lediglich 24,3 % aller Würfe auf ihr Tor konnten Finn Zecher, Urh Kastelic sowie der kurzzeitig unter Vertrag stehende Borko Ristovski und die nur je einmal eingesetzten Timon Mühlenbach und Leon Goldbecker parieren. Ein weiteres Anzeichen der Defensivprobleme ist, dass die Gegner des TBV seit Januar die kürzeste Angriffszeit (29,0s) haben. Ihre Gegner schaffen es, schnell gute Abschlüsse zu finden.

Im Angriff läuft es deutlich besser. Mit 27,4 Toren pro 50 Ballbesitze stellen sie den immerhin neuntbesten Angriff, seit Januar reicht es mit 27,5 für Rang 11. Doch beides ist deutlich hinter den anderen drei Halbfinalisten.

Auffällig sind zudem die deskriptiven Werte zum Spielstil des TBV. Seit Januar haben sie mit durchschnittlich 34,4 Sekunden die viertlängsten Ballbesitze, spielen jedoch mit 15,2 die meisten Pässe pro 35 Sekunden Ballbesitz.

Hinzu kommen ihre Würfe aus einem durchschnittlichen Winkel von 58,5°. Lediglich der ASV Hamm-Westfalen wirft von noch weiter außen. Die anderen drei Halbfinalisten folgen allerdings auf Rang drei bis fünf.

Auch wenn die Lipper also wieder einmal der klare Außenseiter sind, hat ihr überraschender Pokalgewinn vor zwei Jahren klar gezeigt, dass Daten von mehreren Spielen und von einzelnen Pokal-Spiel nicht immer übereinstimmen müssen. Stattdessen kann es durchaus passieren, dass sich der Underdog zweimal durchsetzt.

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Magazin REWE Final4 2023