12.10.2022  LIQUI MOLY HBL

ÜberZahl – Die Zahlenkolumne: Die Stärke des Spielplans

Alle Teams der LIQUI MOLY HBL haben mittlerweile mindestens sieben Spiele absolviert. Aus Daten-Sicht bedeutet dies, dass die Stichprobe groß genug ist, um zumindest erste Schlüsse zu ziehen. In der neuen Ausgabe von „ÜberZahl“ blickt Datenanalyst Julian Rux auf erste Entwicklungen der Saison. Dabei schaut er besonders darauf, wie die jeweilige Stärke der Gegner diese beeinflusst.

Die größte positive Entwicklung der noch jungen Spielzeit sind mit Sicherheit die Rhein-Neckar Löwen. Als einziges Team ohne Punktverlust stehen sie an der Tabellenspitze. Auch wenn man auf die „Advanced Statistics“ blickt, gehört das neue Team von Sebastian Hinze zu den besten Teams der Liga.

Auf beiden Seiten des Felds sind die Löwen das meistverbesserte Team der LIQUI MOLY HBL. Im Angriff stehen sie mit 29,6 Toren pro 50 Ballbesitze, was eine Verbesserung um 2,2 im Vergleich zum Vorjahr bedeutet, immerhin auf dem fünften Rang. In der Verteidigung kassieren sie sogar nur 23,6 Gegentore pro 50 Ballbesitze, was 4,0 weniger als vergangene Saison sind und der klar beste Wert der Liga ist.

Ganz anders sieht es bei der MT Melsungen aus. Rang 14 ist auch trotz der Verletzungssorgen deutlich unter den Ansprüchen der Nordhessen. Die Offensive ist mit 26,0 Toren pro 50 Ballbesitzen unterdurchschnittlich, doch noch größere Probleme macht die Defensive. 28,3 Gegentore pro 50 Ballbesitze ist der fünftschlechteste Wert der Liga und mit +1,7 die größte Verschlechterung der Liga.

Die „Strength of Schedule“

Was dabei jedoch nicht vergessen werden darf, ist, dass nach sieben Spieltagen die durchschnittliche Stärke der Gegner stark unterschiedlich sein kann. Wenn beispielsweise zwei Teams sich punktgleich im Mittelfeld der Tabelle befinden, das Eine jedoch bisher ausschließlich gegen Teams aus der oberen Tabellenhälfte und das Andere gegen Mannschaften aus der unteren Tabellenhälfte gespielt hat, dann ist die Leistung der Erstgenannten natürlich höher einzuschätzen.

Selbstverständlich gibt es auch Methoden die durchschnittliche Stärke der Gegner zu beurteilen. In Sportligen wie der NFL, wo am Ende der Regular Season die Teams lediglich 17 Spiele bestreiten und jedes Team gegen andere Gegner gespielt hat, wird die „Strength of Schedule“, also die Stärke des Spielplans beziehungsweise der Gegner natürlich besonders relevant, um am Ende die tatsächliche Qualität der Teams einschätzen zu können.

Zur Berechnung gibt es verschiedene Methoden. Die einfachste ist die Anzahl der bisherigen Siege und Niederlagen der Gegner zu addieren und so die durchschnittliche gegnerische Siegquote zu bestimmen. In der NFL ist diese Methodik bei gleichem Punktstand am Ende der Hauptrunde auch einer der Faktoren, der über die Endplatzierung sowie über die Draftreihenfolge entscheidet. Da im Handball Unentschieden deutlich häufiger vorkommen, sind die gewonnenen Punkte pro Spiel hier aussagekräftiger als die Siegquote.

Ein mathematisch etwas weiterentwickelter Ansatz ist, auch noch die Siegquote der jeweiligen Gegner der Gegner mitzuberücksichtigen. Dies ist eine Herangehensweise, die besonders im US-College-Sport gerne genutzt wird. Hierbei wird mit zwei Dritteln die Siegquote bzw. die Punkte pro Spiel des Gegners und mit einem Drittel die Siegquote bzw. die Punkte pro Spiel der Gegner des Gegners gewichtet.

Eine dritte Möglichkeit ist, einfach die durchschnittliche Differenz der Gegner aus Toren und Gegentore pro 50 Ballbesitze zu betrachten. Sowohl Vorteil als auch Nachteil hiervon ist, dass die Höhe der Siege mitberücksichtigt wird und so einzelne Ausreißer in Form von hohen Siegen oder Niederlage starken Einfluss haben können, aber am Ende eben auch nur zwei Punkte ausmachen wie knappe Spiele.

Einfaches und schweres Programm zum Saisonstart

Das Ranking nach den Ergebnissen aller drei Methoden ähnelt sich stark. Den einfachsten Spielplan hatten bisher die Rhein-Neckar Löwen. Lediglich 0,5 Punkte pro Spiel konnten ihre Gegner bisher gewinnen. Auch bei Berücksichtigung der gewonnenen Punkte der Gegner der Gegner der Löwen hatten sie mit 0,8 immer noch den einfachsten Spielplan, genauso wie nach der gegnerischen Differenz aus Toren und Gegentoren pro 50 Ballbesitze (-2,9).

Bei genauerer Betrachtung des Spielplans des Deutschen Meisters von 2016 und 2017 ist dies auch nicht weiter verwunderlich. Das einzige Top-Team, mit dem sie es bisher zu tun hatten, war die SG Flensburg-Handewitt, die restlichen Gegner waren die letzten sechs der Tabelle.

Zu den Teams mit dem bisher schwersten Spielplan gehört hingegen die MT Melsungen. Ihre Gegner konnten in der laufenden Saison 1,4 Punkte pro Spiel holen. Werden die Punkte des Gegners der Gegner berücksichtigt, klettert der ASV Hamm-Westfalen mit 1,2 aufgrund der Nachkommastellen auf den ersten Rang des schwersten Spielplans. Nimmt man die Differenz der gegnerischen Differenz aus Toren und Gegentoren pro 50 Ballbesitze steht GWD Minden (2,5) ebenfalls aufgrund der Nachkommastellen vor der MT.

Anhand des bisherigen Spielplans kann also erwartet werden, dass die Rhein-Neckar Löwen tatsächlich nicht ganz so gut sind, wie sie in der Tabelle stehen. Auch der gute Tabellenplatz des HC Erlangen scheint begünstigt von dem eher einfachen Spielplan.

Für Melsungen, aber auch Hamm und Minden zeigt die Stärke des Spielplans hingegen, dass sie bisher alles als einfache Gegner hatten. Während bei Hamm und besonders bei Minden hingegen die allgemeinen Statistiken bisher klar für einen Abstiegskandidaten sprechen, dürfte dies jedoch besonders bei Melsungen bedeuten, dass sie aktuell in der Tabelle schlechter dastehen als sie es eigentlich sind.

Julian Rux ist Datenanalyst und Datenjournalist. Auf seinem Blog Handballytics.de analysiert er aus neuen, datenbasierten Blickwinkeln alle möglichen Themen rund um den Handball. Ihr findet ihn auch auf InstagramFacebook und Twitter.