02.09.2022  LIQUI MOLY HBL

ÜberZahl - Die Zahlen-Kolumne: Was die Wurfdistanz über ihre Werfer verrät

Mit Hilfe der Tracking-Technologie von KINEXON werden seit der Saison 2019/20 Positionsdaten von den Spielern erfasst. Seit der vergangenen Saison werden auch bei allen Spielen über den Ball Daten erfasst. In der neuen Ausgabe von „ÜberZahl“ analysiert Datenanalyst Julian Rux mit Hilfe dieser Daten die besten Torschützen aus der abgelaufenen Spielzeit. Dabei kategorisiert er sie nach der Distanz ihrer Würfe und ordnet ein, wie sich dies in der neuen Saison entwickeln könnte.

Lässt man Siebenmeter und direkte Freiwürfe außen vor, wurden 26.833 Würfe in der vergangenen Saison abgegeben. 16.725 davon fanden auch tatsächlich ihren Weg ins Tor, was eine Trefferquote von 62,3 % bedeutet.

Es ist wenig verwunderlich, dass je näher die Spieler am Tor sind (gemessen wird jeweils von der Mitte des Tors) die Trefferquote steigt. Auffällig ist allerdings, dass ab einer Distanz von elf Metern die Wurfquote wieder ansteigt. Grund dafür ist, dass mit steigender Entfernung (fast) ausschließlich Würfe genommen werden, wenn das Tor leer ist.

Erst bei Würfen aus mehr als 30 Metern ist diese Entwicklung wieder rückläufig. Denn es ist zum einen dann natürlich schwieriger das leere Tor zu treffen und zum anderen haben bei diesen Würfen sowohl hereineilende Torhüter als auch sonstige Verteidiger bessere Chancen den Wurf doch noch abzuwehren.

Die Torschützenkönige

Torschützenkönig wurde in der vergangenen Saison bekanntlich der offensichtlich wie Wein alternde Hans Lindberg mit 242 Toren. Knapp hinter ihm folgten die beiden Isländer Ómar Ingi Magnússon (237) und Bjarki Már Elísson (233).

Noch etwas fairer ist der Vergleich nach Toren pro Spiel. Da Magnusson ein Spiel verpasste, liegt der Magdeburger Linkshänder hier mit 7,2 Toren pro Spiel insgesamt knapp vor Lindberg (7,1) und Elísson (6,9).

Alle drei warfen jedoch auch Siebenmeter für ihr Team, die für die folgenden Auswertungen nicht berücksichtigt wurden. Bei den Toren aus dem Feld war Julius Kühn mit 155 Toren der erfolgreichste Torschütze. Auf Platz zwei folgte dann aber überraschenderweise Elisson gleichauf mit Simon Jeppson und Lenny Rubin (je 154).

Pro Spiel lag Elisson immerhin auf dem fünften Rang (4,5). Angeführt wurde die Rangliste hier von Simon Jeppson, Lenny Rubin und Ivan Martinovic (je 4,7). Elissons hoher Rang ist eine Ausnahme für einen Außenspieler. Erst auf Platz zwölf (125) bzw. 17 (3,7) war mit Lukas Binder der nächste zu finden.

Die Nahdistanz

Einen Großteil seiner Tore erzielte Elísson auf dem einfachsten möglichen Weg: Aus kürzester Distanz durch Gegenstöße oder eben über außen. 39 Mal, beziehungsweise 1,1 Mal pro Spiel netzte er aus weniger als fünf Metern ein. Damit lag er klar vor dem zweitplatzierten Kevin Gulliksen (28/1.0).

Auch bei einer Distanz von fünf bis sechs Metern gehörte der Linksaußen des TBV Lemgo Lippe mit 60 Treffern (1,8 pro Spiel) zur Ligaspitze. Erfolgreicher waren nur Lukas Binder sowie Johan Hansen mit 71 (2,1) beziehungsweise 61 (1,8) Treffern. Wobei Elisson die bessere Wurfquote aufwies. Ohne Frage hinterlässt sein Abgang eine große Lücke im Team von Trainer Florian Kehrmann, die kaum zu kompensieren ist.

Aus der Distanz von sechs bis sieben Metern liegt, obwohl Siebenmeter nicht berücksichtigt werden, mit 69 Treffern Torschützenkönig Hans Lindberg vorne. Mit einer Wurfquote von 75.0 % ist er zudem überdurchschnittlich effizient. Die zweit- und drittplatzierten Jannik Kohlbacher und Tomas Urban warfen sogar öfters aus dieser Distanz als Lindberg.

Bei der Betrachtung pro Spiel wird der Däne (2,0 Tore) jedoch von Kohlbacher überholt. Der Kreisläufer verpasste zwei Spiele und kam so auf 2,1 Tore pro Spiel aus sechs bis sieben Metern.

Die Mittel- und Ferndistanz

Ab einer Entfernung von sieben bis acht Metern dominieren dann die Rückraumspieler. 38 Mal respektive 1,2 Mal pro Spiel netzte Jacob Holm aus dieser Distanz ein.

Einen weiteren Meter weiter hinten folgt dann die Paradedistanz von Julius Kühn, der hier mit 50 Toren beziehungsweise 1,5 Toren pro Spiel die Rangliste anführt. Mit einer Trefferquote von 64,9% liegt er überragende 14,2 Prozentpunkten über dem Durchschnitt aus dieser Distanz. Lenny Rubin hatte sogar sieben Würfe mehr als Kühn, konnte jedoch nur 46 verwandeln, womit er auf eine zehn Prozentpunkte schwächere Erfolgsquote kommt.

Auch in der ersten vollen Saison unter Roberto García Parrondo sollte der deutsche Nationalspieler also das Vertrauen seines Trainers erhalten. Wobei auch die Werte seines Hauptkonkurrenten Andre Gomes nicht schlecht waren und eine Steigerung in seiner zweiten Saison in der "stärksten Liga der Welt" von ihm erwartet werden kann.

Der wirkliche König der Distanzschützen ist jedoch Simon Jeppson. Sowohl zwischen neun und zehn als auch zwischen zehn und elf Metern war er mit 62 (1,9 pro Spiel) bzw. 26 Toren (0,8 pro Spiel) der klar produktivste Spieler. Besonders mit letzterem stach er absolut heraus. Der drittplatzierte Niclas Kirkeløkke kam auf lediglich halb so viele Tore.

Trotzdem stellt sich die Frage, ob Jeppson in der kommenden Spielzeit weiterhin so viel aus der Distanz draufhalten sollte. Denn seine Trefferquote ist mit 52,5 % beziehungsweise 49,1 % zwar jeweils rund zehn Prozentpunkte besser als der Ligaschnitt, doch insgesamt gesehen sind Würfe aus näherer Distanz eben deutlich effizienter.

Die sehr ferne Distanz

Geht man noch weiter weg vom Tor werden natürlich auch deutlich weniger Würfe genommen. Normalerweise wird hier nur bei leerem Tor oder Zeitdruck geworfen. Deshalb werden auch die betrachteten Distanzen hier größer.

Aus elf bis 20 Metern sowie aus 20 bis 30 Metern war Domagoj Duvnjak mit neun beziehungsweise zehn Treffern (je 0,3 pro Spiel) am erfolgreichsten. Besonders seine Rolle als vorderer Verteidiger in der Kieler 3-2-1-Verteidigung kam ihm hier zugute. Hierdurch konnte der Kroate entweder dem Gegner den Ball stehlen oder nach einem Gegentor den Anwurf direkt ausführen und so jeweils bei gegnerischer Unterzahl auf das leere Tor werfen. Durch die neue Einführung der Anwurfzone dürften die Abschlüsse aus diesen Distanzen zumindest insgesamt nach oben gehen.

Aus mehr als 30 Metern lagen Malte Semisch und Niclas Kirkeløkke mit jeweils fünf Treffern an der Spitze. Der Mindener Torhüter benötigte dafür jedoch acht Versuche, zwei mehr als der Däne. Da Semisch zwei Spiele verpasste, liegt er bei den Toren pro Spiel mit 0,2 wiederum knapp vorne.

Julian Rux ist Datenanalyst und Datenjournalist. Auf seinem Blog Handballytics.de analysiert er aus neuen, datenbasierten Blickwinkeln alle möglichen Themen rund um den Handball. Ihr findet ihn auch auf Instagram, Facebook und Twitter.