14.09.2022  LIQUI MOLY HBL

ÜberZahl - Die Zahlen-Kolumne: Der beste Shooter der Liga

Die Rolle des Rückraum-Shooters bekommt im Handball schon immer besondere Aufmerksamkeit. Nicht umsonst wird die Rückraum-Links-Position auch gerne als Königsposition bezeichnet. In der neuen Ausgabe von „ÜberZahl“ analysiert Datenanalyst Julian Rux, wer der beste Distanzschütze der LIQUI MOLY HBL ist.

Wird anhand der letzten Ausgabe von ÜberZahl auf den besten Shooter geblickt, dann könnte man die Frage wohl schnell mit Simon Jeppsson beantworten. Während in der aktuellen Saison noch zu wenig Spiele absolviert wurden, um statistisch aussagekräftig zu sein, warf er in der vergangenen Saison sowohl aus neun bis zehn Metern als auch von zehn bis elf Metern die meisten Tore der LIQUI MOLY HBL. Die reine Beurteilung anhand der geworfenen Tore wäre aber etwas vorschnell, weshalb sich ein genauerer Blick auf die Statistiken durchaus lohnt.

Die effizientesten Werfer

Denn was schnell außer Acht gelassen wird, ist die Effizienz eines Spielers. Wer viel aus der Distanz wirft, hat selbstverständlich auch eine höhere Chance Tore von dort zu erzielen. Für den Erfolg einer Mannschaft ist es hingegen wichtig, die Angriffe so effizient wie möglich zu nutzen, also möglichst wenige Fehlwürfe zu haben.

Um dies fair zu beurteilen, wurden lediglich Spieler berücksichtigt, die in der vergangenen Spielzeit aus der jeweiligen Distanz pro Spiel mindestens halb so oft geworfen haben, wie der Spieler mit den meisten Abschlüssen. Außerdem mussten sie mindestens 10 Spiele absolviert haben, denn bei Spielern mit weniger Versuchen ist natürlich die Wahrscheinlichkeit zufällig eine gute Quote zu haben deutlich größer.

Bezieht man diesen Punkt mit ein, dann landen aus einer Distanz von neun bis zehn Metern Fabian Gutbrod (54,1 %), Valentin Spohn (53,8 %) und Niclas Pieczkowski (53,6 %) im Ranking knapp vor Jeppson (52,5 %). Aus zehn bis elf Metern hat der Schwede jedoch mit großem Abstand die beste Quote. Mit 49,1 % kommt er sogar fast an seine Quote aus näherer Distanz. Auf den Plätzen zwei und drei liegen mit 40,0 % beziehungsweise 39,1 % Julius Kühn und Valentin Spohn.

Die Shooter-Distanz

Doch wer ist insgesamt der beste Shooter der Liga? Hierzu muss erst einmal beantwortet werden, was genau die „Shooter-Distanz“ ist.

Werden alle Würfe der vergangenen Saison (ohne Siebenmeter und direkte Freiwürfe) in eine Grafik übernommen (wie in der linken Grafik zu sehen) dann ist dies sehr unübersichtlich. Deutlich mehr Auskunft gibt die Häufigkeitsdarstellung in Hexagonen. Je dunkler das Sechseck, desto öfter wurde in der vergangenen Spielzeit aus diesem Bereich geworfen.

Die Darstellung zeigt die zwei Hauptbereiche, innerhalb des Sechs-Meter-Torraums sowie zentral um die Neun-Meter-Freiwurflinie, aus denen Würfe vollzogen wurden. Zentral um die Neun-Meter-Freiwurflinie zeigt sich ganz klar die „Shooter-Distanz“.

Genauere Analysen zeigen, dass diese Distanz ab einer Entfernung von rund 8,5 Metern beginnt und bis zu zwölf Metern geht. Bei Würfen aus größerer Distanz handelt es sich in der Regel um Würfe auf das leere Tor oder wenn aufgrund der geringen verbliebenen Spielzeit keine anderen Abschlüsse mehr möglich sind.

Der beste Hochfrequenz-Shooter

205 Spieler haben in der vergangenen Saison aus dieser „Shooter-Distanz“ insgesamt 5.531-mal aufs Tor geworfen. 2.505 Tore wurden dabei erzielt, was eine durchschnittliche Wurfquote von 45,3 % bedeutet. Hierbei sind wie zuvor direkte Freiwürfe sowie zusätzlich Würfe auf das leere Tor und Würfe aus Erste-Welle-Gegenstößen ausgeschlossen.

Die Rangliste der geworfenen Tore führte ebenfalls Simon Jeppsson mit insgesamt 94 beziehungsweise 2,8 pro Spiel an. Allerdings war er mit 5,2 Würfen pro Spiel auch der Spieler mit den mit Abstand meisten Abschlüssen.

Insgesamt kam der Schwede damit auf eine Trefferquote von 54,1 %. Unter allen Spielern mit mindestens einem Wurf pro Spiel aus der „Shooter-Distanz“, war dies immerhin der neuntbeste Wert. Auf Platz eins stand Miha Zarabec mit 64,9 % getroffenen Würfen, gefolgt von Philipp Ahouansou (62.5 %) und Lukas Nilsson (60.6%).

Zarabec, Ahouansou und Nilsson kommen von der „Shooter-Distanz“ allerdings nicht mal auf die gleiche Anzahl an Würfen wie Jeppson, wenn man ihre Versuche zusammenzählt. Als Hochfrequenz-Shooter kann man sie also nicht wirklich bezeichnen. Dies wird noch deutlicher, wenn nur Spieler berücksichtigt werden, die von dort mindestens halb so oft wie der Schwede abgeschlossen hatten.

Unter 18 Spielern, zutreffend auf diese Kriterien, hatte die Nummer 42 des HC Erlangen knapp vor Adam Lönn (54,0 %) tatsächlich die beste Wurfquote. Bei den meisten Spielern sinkt die Effizienz mit steigender Wurfzahl. Jeppssons schaffte es trotzdem eine sehr gute Quote zu erreichen. Auch am vergangenen Sonntag war er mit vier von fünf Toren aus der „Shooter-Distanz“, wieder ein wichtiger Faktor beim Sieg der Erlanger gegen FRISCH AUF! Göppingen. Man kann ihn also getrost als besten Shooter der LIQUI MOLY HBL bezeichnen.

Besonders beeindruckend ist dies, wenn betrachtet wird, welche Top-Spieler es nach der Wurfquote nicht einmal in die Top 10 geschafft haben. So liegen beispielsweise die Melsunger Nationalspieler Julius Kühn und Kai Häfner mit 48,6 % beziehungsweise 36,8 % lediglich auf Rang 8 beziehungsweise 16. Auch der zum FC Barcelona gewechselte Jonathan Carlsbogard kam nur auf eine Quote von 42,3 % (13.).

Auch wenn im modernen Handball immer weniger aus der Distanz geworfen wird, da – wie in der Grafik zu Beginn zu sehen ist – die Trefferquoten aus der Nahdistanz deutlich besser sind, können überdurchschnittlich gute Schützen wie Jeppsson stets bedeutend sein. Denn es gibt natürlich trotzdem noch genug Szenarien, in denen nur noch ein Distanzwurf möglich ist.

Julian Rux ist Datenanalyst und Datenjournalist. Auf seinem Blog Handballytics.de analysiert er aus neuen, datenbasierten Blickwinkeln alle möglichen Themen rund um den Handball. Ihr findet ihn auch auf Instagram, Facebook und Twitter.