22.09.2022  LIQUI MOLY HBL

Die „neuen“ Rhein-Neckar Löwen und ihr Erfolgsgeheimnis

Vier Spiele, vier Siege, die Rhein-Neckar Löwen haben in der LIQUI MOLY HBL wahrlich einen Traumstart hingelegt. Vor dem Spitzenspiel am Samstag (Samstag, 16.30 Uhr, Live auf SKY) gegen die SG Flensburg-Handewitt beleuchten der neue Trainer Sebastian Hinze, der neue Kapitän Patrick Groetzki und Geschäftsführerin Jennifer Kettemann die aktuelle Situation und begeben sich auf die Suche nach dem Erfolgsgeheimnis.

Hinter die vergangene Spielzeit haben die Badener einen Haken gesetzt, mit Sebastian Hinze, zuvor viele Jahre Trainer des Bergischen HC hieß es: alles auf Anfang. Nach dem Abschied unter anderem von Löwen-Legende Andy Schmid kamen einige hoffnungsvolle Talente, die schnell Fuß fassten bei den Löwen.

„Wie viel frischen Wind ich einbringe, müssen die beurteilen, die schon vor mir da waren“, gibt sich Hinze bescheiden: „Ich versuche, meine Vorstellung von Handball Schritt für Schritt umzusetzen, immer mit Blick auf das, was ich hier vorfinde und was sich auch tatsächlich umsetzen lässt. Zunächst einmal wollte ich der Mannschaft ein funktionierendes Abwehrsystem an die Hand geben, dazu das passende Umschaltspiel. Was das angeht, sind wir bislang sehr gut vorangekommen und haben so auch unsere ersten Erfolgserlebnisse einfahren können“, zieht der Neu-Trainer eine positive Zwischenbilanz nach vier Partien.

Mindestens genauso froh ist Geschäftsführerin Jennifer Kettemann, deren Vertrag gerade bis 2026 verlängert wurde: „Der aktuelle Erfolg hilft natürlich enorm. Zumal wir auch nicht so recht wussten, wo wir nach der Vorbereitung stehen, mit dem veränderten Kader, dem neuen Spielsystem. Der Mannschaft tut das gut, genauso wie den Trainern, dem Team hinter dem Team und all unseren Fans.“

Aber die Löwen-Chefin weiß, dass man trotz aller Erfolge auf dem Boden bleiben muss: „Wir dürfen das auch ruhig genießen an dem jeweiligen Tag beziehungsweise Abend. Aber wir wissen genau, dass das nur Momentaufnahmen sind, dass noch jede Menge Arbeit vor uns liegt und es ganz bestimmt auch Rückschläge geben wird. Sebastian Hinze lebt diese Demut, diese Arbeitseinstellung vor. Die Mannschaft zieht voll mit. Das macht mir Hoffnung, dass wir diesen Aufwärtstrend bestätigen und in eine stabile Entwicklung überführen können.“

Für Rechtsaußen Patrick Groetzki, der wie Uwe Gensheimer das Motto „Einmal Löwe, immer Löwe“ vorlebt, kommt der Erfolg nicht von ungefähr: „Es hat sich schon einiges verändert, aber auch letztes Jahr haben wir eine gute Vorbereitung gespielt, die Stimmung in der Mannschaft war auch gut. Wenn man sich unser Spiel anschaut, dann haben wir vor allem ein Tempo-Upgrade bekommen. Wir versuchen jeden Ballgewinn zu nutzen, um direkt aufs Tempo zu drücken. Das gelingt uns momentan richtig gut und stellt unsere Gegner vor große Probleme. Ich habe das Gefühl, dass die Rädchen innerhalb der Mannschaft jetzt deutlich besser ineinandergreifen. Das wirkt alles viel homogener als noch zuletzt.“

Diese Freude teilt auch Sebastian Hinze, wenn er angesichts des optimalen Saisonstarts auch zugibt, dass „ich schon ein wenig überrascht bin. Wir haben in der Vorbereitung gut gespielt und auch gute Ergebnisse erzielt. Das hat sicher dazu beigetragen, dass wir selbstbewusst in die Saison gehen, dass wir daran glauben, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Aber Bundesliga ist dann schon noch einmal etwas anderes. Wir sind glücklich, dass wir so gut gestartet sind. Denn das war alles andere als selbstverständlich.“

Für Groetzki ist die taktische Grundausrichtung entscheidend: „Wir haben ein System gefunden, in dem sich sehr viele Spieler wohl fühlen. Dadurch sind wir zu Erfolgserlebnissen gekommen, und diese wiederum bestärken unseren Glauben in das System. Allerdings werden auch Rückschläge kommen und dann wird es entscheidend sein, wie wir damit umgehen.“

Geschäftsführerin Jennifer Kettemann blickt trotz der aktuellen Tabellenkonstellation sowieso lieber voraus als zurück: „Ich habe das Gefühl, dass sich diese beiden Mannschaften aus der Vorsaison und aktuell gar nicht miteinander vergleichen lassen. Dabei ist das Team im Großen und Ganzen dasselbe, bis auf ein paar Veränderungen.“ Daher sieht sie vor allem den Trainer als Geheimnis des Erfolges: „Was Sebastian Hinze in der Kürze der Zeit geschafft hat, ist absolut bemerkenswert. Er hat den Jungs ein System gegeben, in dem sie sich wohlfühlen, in dem ihre Stärken zum Tragen kommen und das für die gegnerischen Mannschaften äußerst unangenehm zu bespielen ist.“

Dass das direkt am Saisonstart so gut funktioniert, hatte Kettemann nicht erwartet, aber: „Das gibt uns zusätzliches Selbstvertrauen. Dennoch betone ich noch einmal: Wir können jetzt nicht davon ausgehen, dass die ganze Saison so weiterlaufen wird. Wir verfolgen einen Plan, der auf Nachhaltigkeit ausgelegt ist, und da werden wir auch Geduld und Ruhe bewahren müssen, wenn es einmal nicht so läuft.“

Zu diesem Plan gehört auch jener langfristige Kontrakt mit der früheren SAP-Managerin, die 2016 auf Lars Lamade in dieser Position folgte. Kettemann denkt daher auch perspektivisch: „Wir haben einen Fünf-Jahres-Plan erarbeitet. In diesem Zeitraum wollen wir uns in die Lage versetzen, wieder oben angreifen und um Titel mitspielen zu können. Dazu gehört auch, bis dahin geduldig und zielgerichtet an den einzelnen Bestandteilen dieses Planes zu arbeiten – wobei wir uns natürlich nicht gegen kurzfristige Erfolge wehren würden. In einem Jahr wollen wir besser dastehen als am Ende der vergangenen Saison. In drei Jahren wollen wir dann den nächsten Schritt machen und deutlich näher an die Top-Teams der Liga heranrücken.“

Und eines dieser Topteams gibt am Samstag seine Visitenkarte in der SAP-Arena ab: die SG Flensburg-Handewitt. Für Kapitän Patrick Groetzki ist das mehr als ein normales Spiel: „Spiele gegen Flensburg sind immer besonders. Die letzten beiden Heimspiele hatten durchaus dramatische Züge, gingen jeweils mit einem Unentschieden aus. Jetzt wollen wir gerne beide Punkte in unserer SAP Arena behalten, wissen aber auch, wie schwer das wird. Flensburg ist bis auf wenige Ausnahmen wieder komplett und hat, wie ich finde, einen der besten Kader der Liga. Das wird eine Riesenherausforderung für uns. Umgekehrt müssen wir uns vor keinem verstecken, vor allem nicht zuhause. Wir sind extrem heiß auf dieses Spiel und wollen das von Beginn an zeigen.“

Trainer Sebastian Hinze denkt dennoch in anderen Sphären: „Wir versuchen uns von Einzelergebnissen zu lösen und das große Ganze im Blick zu behalten. Es geht darum, hier eine Entwicklung anzuschieben, die uns mittel- bis langfristig in die Lage versetzt, wieder um Titel mitzuspielen. Dabei hilft jedes Erfolgserlebnis. Auf der anderen Seite dürfen wir nicht alles infrage stellen, nur weil ein Spiel mal danebengeht. Wichtiger ist für mich, dass wir uns auch in einem solchen Spiel so präsentieren, wie wir das wollen. Dass wir uns an unseren Plan halten, unser System durchziehen und dadurch am Ende hoffentlich die Chance bekommen, etwas Zählbares mitzunehmen.“

Aber wie gefestigt ist sein Team denn zu einem so frühen Zeitpunkt der Saison bereits? „Das werden wir sehen. Ich habe einen guten Eindruck bisher“, sagt Hinze: „Aber wir stehen immer noch am Anfang einer langen Saison. Vieles wird auch davon abhängen, wie wir in Sachen Verletzungen durch die Saison kommen. Eine seriöse Einschätzung kann man erst abgeben, wenn etwa ein Drittel der Saison gespielt ist.“

Aber bereits jetzt ist der Trainer sehr zufrieden mit den Neuzugängen: „Olle Forsell Schefvert und Halil Jaganjac machen es überragend. Vor allem in der Abwehr, wo sie gemeinsam den Innenblock stellen. Aber auch im Angriff. Halil ist mit seiner Dynamik jetzt schon eine tragende Säule sowohl im erweiterten Gegenstoß als auch im Positionsangriff. Und von Olles Übersicht und Spielintelligenz profitiert die ganze Mannschaft.“

Und die Anfangserfolge machen natürlich auch die Aufgaben des neuen Kapitäns Patrick Groetzki einfacher, der in diesem Amt auf Uwe Gensheimer gefolgt ist: „Ich habe auch schon davor viel Verantwortung übernommen, habe mich, wenn nötig, immer geäußert, auch zu kritischen Themen, und habe versucht, hier meine Erfahrung einzubringen. Ein paar neue Aufgaben kommen dazu, aber das hält sich doch sehr in Grenzen. Es ist ja auch nicht so, dass bei uns nur der Kapitän etwas zu sagen hätte.“

Für den langjährigen Nationalspieler steht ehedem das Team im Vordergrund: „Wir haben sehr viele erfahrene Spieler, viele Führungsfiguren, die sich einbringen und mir ist es sehr wichtig dass wir anstehende Themen als Team oder im Mannschaftsrat besprechen und weitergeben oder entscheiden. Ich übernehme dafür natürlich die Verantwortung und stelle mich vor das Team.“

Foto: Koerner