23.05.2022  LIQUI MOLY HBL

Erstmals seit 2017: Kiel feiert HBL-Auswärtssieg in Flensburg

In einem hochdramatischen 106. Nord-Derby hat sich der THW Kiel gegen die SG Flensburg-Handewitt durchgesetzt und damit den 64. Sieg gegen den Nordrivalen bejubelt. Mit 28:27 (13:12) gewann der THW vor 6300 Zuschauern in der ausverkauften Flens-Arena. In einem LIQUI MOLY HBL-Duell gelang das Kiel zuletzt im Dezember 2017!

Flensburg fand zunächst besser in die Partie hinein, legte durch Wanne per Siebenmeter und Einarssons Rückraumkracher die 2:0-Führung vor. Fünf Minuten und 28 Sekunden mussten die Kieler Fans warten, bevor Patrick Wiencek den Anschluss herstellte. Niclas Ekberg traf wenig später von Rechtsaußen zum 2:2, beide Male war Sander Sagosen der Passlieferant. Einarsson und Golla stellten auf 4:2, das Rune Dahmke und Sander Sagosen erneut egalisierten. Niklas Landin hatte mit frühen Glanzparaden die Vorarbeiten geleistet. Nikola Bilyk ließ mit seinem Treffer zum 5:5 erstmals aufhorchen, bediente Magnus Landin bei dessen Treffer zum 6:6, und Sander Sagosen traf nach großartigem Anspiel von Harald Reinkind in der 14. Minute zur ersten THW-Führung.

Weil Kiels Abwehrchef Hendrik Pekeler, der gegen Paris einen Achillessehnenriss erlitt, dem THW mehrere Monate fehlen wird, musste Jicha seinen Abwehrverbund umstellen: An der Seite von Patrick Wiencek stopfte Pavel Horak die Lücke im Mittelblock, der 39-jährige Tscheche löste seine Aufgabe über weite Strecken mit Bravour. Im Angriff setzte der Kieler Trainer in der ersten Halbzeit überraschend auf Nikola Bilyk als Spielmacher. Eine taktische Umstellung, die Flensburgs Abwehr gehörig ins Schwimmen brachte, auch, weil der Österreicher sich überragend ins Kieler Spiel einbrachte, als Passgeber glänzte und auch im Abschluss überzeugte: Dreimal traf der 25-Jährige in den ersten 30 Minuten ins Schwarze, wurde in der zweiten Halbzeit von Miha Zarabec abgelöst, der ebenfalls eine großartige Partie ablieferte.

Es wurde leiser in der Flens-Arena, erst recht, als Nikola Bilyk die Show seiner Spielkunst startete, seine Mitspieler gekonnt in Szene setzte oder selbst traf. So, als er sich einen verloren geglaubten Ball schnappte, das Leder im Nachwurf zur 9:8-Führung ins Flensburger Netz schmetterte. Patrick Wiencek stellte in der 19. Minute mit verwandeltem Tempogegenstoß auf 10:8 für Kiel, führte die erste Zwei-Tore-Führung herbei, Bilyk erzielte per "Stemmer" in der 25. Minute das Kieler 12:10, aber statt einer Kieler 14:11-Führung, die kurz vor der Halbzeitpause möglich gewesen wäre, nutzte SG-Kreisläufer Golla einen THW-Fehler im Abschluss zum 12:13-Pausenstand aus SG-Sicht. Die Partie hatte Fahrt aufgenommen, hielt alle Fans auch in den zweiten 30 Minuten in Atem.

Diese wurden durch den Treffer von Steinhauser zum 13:13 für Flensburg eröffnet. Kiels Antwort? Der gehaltene Siebenmeter von Niklas Landin, der Hampus Wanne in seinem neunten und letzten Flensburger Jahr die Freude an der Straflinie verdarb. Sander Sagosen und Miha Zarabec brachten den THW auf 15:13 nach vorn. Doch die Flensburger ließen nicht locker. Natürlich: Nordderby! Gingen nach dem insgesamt sechsten Treffer von Sagosen (39.) zum 19:17 in der 45. Minute durch Golla und Steinhauser selbst 22:20 in Führung. Welche eine Dramatik, kaum ein Zuschauer hielt es mehr auf seinem Sitz. Dann aber traf auch Kiels Linkshänder im rechten Rückraum, Harald Reinkind. Zunächst zum 21:22, dann in der 51. Minute zum erneuten Kieler Ausgleich: 23:23. Zwischendurch hatten die Kieler aber auch Glück, weil Wanne erst über das leere Tor zielte und dann einen Gegenstoß vertändelte - aber auch das ist Derby!

Als Niklas Landin wenig später einen "Unhaltbaren" von Jim Gottfridsson aus dem Torwinkel fischte, erntete Kiels Welthandballer die Geste des "Hutziehens". Absender: Jim Gottfridsson selbst. Handball eben. Und eine Szene, die die dramatische Schlussphase mit wechselnden knappen Führungen einläutete. Schließlich jubelte Kiels Bank über Harald Reinkinds 27:26 (58.), Mads Mensah glich wenig später aus, ehe Sander Sagosen im Gegenzug den Ball zum zehnten Mal im Flensburger Tor unterbrachte. War es das? SG-Trainer Maik Machulla nahm bei gespielten 59:14 Minuten seine letzte Auszeit, schwor sein Team auf das jetzt erhoffte Remis ein. Doch wieder und wieder warfen sich Kiels Abwehrspieler dazwischen, machten die Räume eng. Vier Sekunden vor dem Abpfiff dann der letzte Freiwurf für Flensburg: Der Ball landete final bei Gottfridsson - und rauschte oben rechts übers THW-Tor. Derby-Jubel in Schwarz-Weiß, Trauer auf der anderen Seite.

Nach dem Schlusspfiff tanzten die Zebras ausgelassen, während die SG-Spieler um ihren starken Spielmacher Jim Gottfridsson ihre Köpfe hängen ließen. Die kleine, aber lautstarke Schar von gut 150 mitgereisten Kieler Fans sorgte - wie schon während der 60 Minuten - für Heimspiel-Gefühle bei den Schwarz-Weißen, die den Sieg mit der "La Ola" gemeinsam mit ihren Anhängern feierten. THW-Trainer Filip Jicha strahlte derweil übers ganze Gesicht. Der Sieg fühle sich sehr gut an, erklärte Kiels Trainer. „Nach dem Sieg über Paris haben meine Jungs heute eine tolle Woche krönen können. Das lag auch daran, dass sie immer weitergemacht haben, auch, wenn es mal nicht wie geplant lief. In Flensburg zu gewinnen, ist immer großartig. Jetzt freuen sich die Spieler auf ein Belohnungs-Bier im Bus, und morgen ist trainingsfrei.“

Quelle: THW Kiel / Foto: Klahn