22.03.2022  LIQUI MOLY HBL

ÜberZahl – die Zahlenkolumne: Vorschau auf das Spitzenspiel zwischen dem SC Magdeburg und dem THW Kiel

Am Samstag trifft Tabellenführer SC Magdeburg auf Titelverteidiger THW Kiel. In der neuen Ausgabe von „ÜberZahl“ analysiert Datenjournalist Julian Rux deshalb beide Teams. Denn auch wenn der Abstand in der Tabelle schon etwas größer ist, ist der Abstand beim statistischen Output geringer.

Offensiven auf Rekordjagd

Mit 31,2 Toren pro 50 Ballbesitze stellt der SC Magdeburg, angeführt von Omar Ingi Magnusson, dem mit 6,8 Tore pro Spiel besten Torschützen und mit 4,2 Assists pro Spiel zweitbesten Vorlagengeber der LIQUI MOLY HBL, den besten Angriff der Liga. Einen besseren Wert über eine ganze Saison hatte in den vergangenen fünf Spielzeiten nur der THW Kiel 2020/21 mit 31,4. Aktuell steht der Titelverteidiger mit 30,9 Toren jedoch nur minimal dahinter.

Hauptgrund für den Topwert des SCM ist die überragende Wurfquote. 69,1 % ihrer Würfe treffen die Sachsen-Anhaltiner, was der klare Bestwert aller Teams der letzten fünf Jahre (und vermutlich auch aller Zeiten) ist. Hauptgrund dafür ist natürlich weiterhin der Stil, den Cheftrainer Bennet Wiegert spielen lässt.

Auch in der laufenden Saison werfen sie wieder kaum aus dem Rückraum. Lediglich 23,2 % aller Abschlüsse kommen aus etwa neun oder mehr Metern, der zweitgeringste Wert der Liga. Stattdessen soll versucht werden, mehr Abschlüsse mit hohen Trefferwahrscheinlichkeiten zu generieren. Dazu gehört es eigentlich auch, stark auf das Tempospiel zu setzen. In den vergangenen Spielzeiten gehörten die Magdeburger deshalb auch immer zu den Teams mit den meisten Ballbesitzen pro Spiel.

In der aktuellen Spielzeit sind sie mit 49,5 Ballbesitzen pro Spiel hingegen leicht unter dem Durchschnitt der LIQUI MOLY HBL. Das liegt jedoch weniger daran, dass das Tempospiel nicht gesucht wird, sondern eher daran, dass ihre Angriffe, wenn es in den Positionsangriff geht, häufig lange dauern, unter anderem aufgrund der oft stattfindenden Doppelwechsel. Dazu stellen sich die gegnerischen Verteidigungen auch mehr auf das Magdeburger Tempospiel ein. So auch im Hinspiel: Der 27:29-Auswärtssieg der Magdeburger in der Wunderino Arena war mit 45 Ballbesitzen sogar das 14.-langsamste Spiel unter allen 208 Partien der aktuellen Spielzeit.

Die Trefferquote des THW ist mit 65,0 % deutlich hinter der der Magdeburger. Zwar haben die Zebras zahlreiche Spieler, die aus ihren Wurfpositionen überdurchschnittlich treffen. Doch 30,2 % ihrer Abschlüsse kommen aus dem Rückraum (siebthöchster Wert der Liga), von wo die durchschnittlichen Trefferquoten deutlich niedriger sind als von den restlichen Wurfpositionen.

Mit 6,3 Ballverlusten pro 50 Ballbesitzen ist der THW allerdings auf dem Weg, die wenigsten Ballverluste der letzten fünf Jahre zu begehen. Hier zahlen sich die zahlreichen routinierten Rückraumspieler um Sander Sagosen, Domagoj Duvnjak und Miha Zarabec aus.

Gute Defensiven mit ähnlichen Achillesfersen

Auch am anderen Ende des Spielfelds sind auf den ersten Blick keine großen Unterschiede zwischen beiden Teams zu erkennen. Doch auch hier gibt es Unterschiede in den Details.

Die beste Verteidigung der Liga stellt momentan der SC DHfK Leipzig mit lediglich 25,3 Gegentoren pro 50 Ballbesitzen. Direkt dahinter folgt mit 25,7 der SC Magdeburg. Der Abstand zum THW Kiel, der mit 26,0 auf dem vierten Rang steht, ist auch hier nicht groß.

Bei der gegnerischen Wurfquote sind beide Teams fast gleichauf. Mit 60,7 % (Magdeburg, 7.) bzw. 60,0 % (Kiel, 5.) sind beide nicht an der absoluten Spitze zu finden. Hauptgrund dafür sind die durchwachsenen Torhüterleistungen.

Mit einer gesamten Paradenquote von 28,7 % haben die Torhüter des Tabellenführers lediglich die achtbeste Quote. Stammtorhüter Jannick Green liegt mit 26,9 % sogar unter dem Ligadurchschnitt. Neuzugang Mike Jensen kann zwar an seine Vorjahresleistung anknüpfen und hält starke 32,0 % der Würfe auf sein Tor (Rang fünf), steht allerdings deutlich weniger zwischen den Pfosten als sein Landsmann.

Noch ungleicher sind die Torhüter-Leistungen beim THW Kiel. Insgesamt haben sie mit 30,4 % die viertbeste Paradenquote. Niklas Landin pariert sogar 33,0 % aller Würfe auf sein Tor. Auf bessere Werte kommen nur die beiden Flensburger Torhüter.

Sein Backup Dario Quenstedt kommt an diese Quote jedoch nicht annähernd heran. Lediglich 21,0 % parierte der ehemalige Magdeburger in der bisherigen Saison, eine der schwächsten Leistungen der Liga. Im Spitzenspiel könnten die Torhüter deshalb die Schlüsselposition sein, besonders da Landin die letzten beiden Spiele verletzt verpasste und sein Einsatz für Samstag noch ungewiss ist.

Zweiter entscheidender Faktor könnten die Ballverluste sein. Kiel ist nicht nur das Team mit den geringsten eigenen Ballverlusten, sondern der SCM ist auch das Team mit den zweitmeisten erzwungenen gegnerischen Ballverlusten (11,1 pro 50 Ballbesitze). Diese führen wiederum oftmals zu den zuvor erwähnten Abschlüssen mit hohen Trefferwahrscheinlichkeiten.

Auch wenn der SC Magdeburg sehr souverän an der Tabellenspitze steht, ist er nicht unschlagbar, wie die Niederlage gegen die SG Flensburg-Handewitt gezeigt hat. Auch im Hinspiel waren alle Statistiken eng beieinander, doch wie so oft in dieser Saison behielt der amtierende European-League-Sieger die Nerven in der Crunchtime. Ein erneuter Sieg über den Titelverteidiger wäre hingegen ein weiterer großer Schritt in Richtung Meistertitel für den SCM.

Julian Rux ist Datenanalyst und Datenjournalist. Auf seinem Blog Handballytics.de analysiert er aus neuen, datenbasierten Blickwinkeln alle möglichen Themen rund um den Handball. Ihr findet ihn auch auf InstagramFacebook und Twitter.