19.04.2022  LIQUI MOLY HBL

ÜberZahl – Die Zahlenkolumne: Was Wurfdistanzen über das REWE Final4 verraten

Der THW Kiel, TBV Lemgo Lippe, SC Magdeburg sowie der HC Erlangen kämpfen am Wochenende im REWE Final4 um den DHB Pokal. In der neuen Ausgabe von „ÜberZahl“ analysiert Datenjournalist Julian Rux die vier Teams. Alle vier haben eine ähnliche Stärke, wie sie zu dieser kommen, unterscheidet sich jedoch deutlich.

Die Favoritenrollen in den beiden Halbfinals sind klar verteilt. Auf der einen Seite stehen mit dem SC Magdeburg und dem THW Kiel die beiden nach den Zahlen besten Teams der LIQUI MOLY HBL. Sie stellen mit je 30,9 (Kiel) und 30,8 Toren pro 50 Ballbesitzen (Magdeburg) die klar besten Offensiven der LIQUI MOLY HBL.

Auch auf der anderen Seite des Spielfelds gehören beide zu den Top-Teams, wobei sie nicht ganz an der Spitze sind. Mit 25,8 beziehungsweise 26,1 Gegentoren pro 50 Ballbesitzen liegen der SCM und THW auf Rang drei und fünf.

Beim HC Erlangen und dem TBV Lemgo Lippe ist das Verhältnis der Zahlen ähnlich, allerdings auf deutlich niedrigerem Niveau. Im Angriff liegen sie mit 27,4 (Erlangen) und 27,2 Toren pro 50 Ballbesitzen (Lemgo) ziemlich genau auf dem Durchschnitt der Liga. In der Verteidigung sind beide unterdurchschnittlich. Mit 28,4 Gegentoren pro 50 Ballbesitzen ist die Defensive Lemgos auf Rang 14, Erlangen ist mit 28,7 sogar nur auf Rang 16.

Die Wurfdistanzen

Was alle vier Teilnehmer des REWE Final4 also vereint, ist, dass ihre Stärke im Angriff liegt. Wie sie zu dieser Stärke kommen, unterscheidet sich jedoch deutlich. Besonders bei ihrer Wurfauswahl aus dem Feld gibt es deutliche Unterschiede.

Für (fast) jeden Wurf, der in der aktuellen Spielzeit der LIQUI MOLY HBL abgegeben wurde, wurde durch die Technik von KINEXON unter anderem die Entfernung genau bestimmt. Lediglich bei Teilen einiger weniger Spiele gab es keine Wurfdistanzen aufgrund technischer Probleme. Dazu konnten auch vereinzelte Würfe, die beispielsweise aus kürzester Distanz geblockt wurden, nicht automatisch als Wurf erkannt werden.

Insgesamt wurden 17.034 Feldwürfe erfasst. Werden diese betrachtet, dann ist wenig überraschend, dass die Trefferquote steigt, je näher der Wurf am Tor ist (gemessen von der Mitte des Tores). Erst ab einer Entfernung von über elf Metern steigt die Wurfquote wieder. Hierbei handelt es sich jedoch natürlich meist um Würfe auf das leere Tor.

Die Extreme

Bei den einzelnen Teams gibt es deutliche Unterschiede bei der Wurfauswahl. Magdeburg und Kiel befinden sich an den gegensätzlichen Enden des Spektrums, während Erlangen und Lemgo ziemlich genau den Durchschnitt abbilden.

Das Team mit der geringsten durchschnittlichen Wurfdistanz (7,2 Meter) sowie dem höchsten Anteil an Würfen aus weniger als sieben Metern (61,6 %) ist der SC Magdeburg. Hinzu kommt noch, dass die Sachsen-Anhaltiner das Team mit dem höchsten Anteil an Siebenmetern der LIQUI MOLY HBL sind. Der Anteil aus dieser Distanz kreierter Abschlüsse ist also noch höher.

Dazu treffen sie mit einer Trefferquote von 72,0 % am viertbesten aus weniger als sieben Metern und auch wenn sie wenig aus der Distanz werfen, sind sie von dort trotzdem gefährlich: Aus sieben bis elf Metern sind sie mit 49,4 % das vierttreffsicherste Team. Dass das Team von Bennet Wiegert mit 69,0 % die klar beste Wurfquote der Liga hat, liegt also zum Teil an der Treffsicherheit, zum Großteil aber an der Verteilung der Würfe.

Der amtierende Weltpokalsieger hat auch einen der besten Rückraumschützen in seinen Reihen. Starke 55,2 % seiner Würfe aus über sieben Metern verwandelt Omar Ingi Magnusson, was der sechstbeste Wert unter allen Spielern mit mindestes 40 Würfen aus dieser Distanz ist.

Bei den Kielern ist die durchschnittliche Wurfentfernung mit 7,9 Metern deutlich höher. Nur der Bergischen HC wirft mit durchschnittlich 8,0 Metern noch weiter aus der Ferne. Trotzdem kommen 50,1 % aller Abschlüsse der Zebras aus weniger als sieben Metern (Rang 10).

Dabei ist das Team von der Ostsee sogar das erfolgreichste aus weniger als sieben Metern. 72,9 % ihrer Würfe treffen sie von dort. So viel wie kein anderes Team. Aus sieben bis elf Metern sind es 49,3 % (Rang 5). Mit Steffen Weinhold (81,4 %), Domagoj Duvnjak (76,4 %) und Sander Sagosen (71,4 %) sind sie auch das einzige Team der Liga, das drei Spieler in der unter den besten 15 Spielern nach der Wurfquote aus weniger als sieben Metern verzeichnen kann.

Der Mittelweg

Die Würfe des TBV Lemgo Lippe kommen aus durchschnittlich 7,5 Metern (Rang 6). 55,3 % ihrer Abschlüsse sind aus weniger als sieben Metern (Rang 4). Nur bei FRISCH AUF! Göppingen und der SG Flensburg-Handewitt ist der Anteil noch höher.

Mit nur 40,2 % erfolgreichen Würfen aus sieben bis elf Metern ist das Team von Florian Kehrmann auch klar das schwächste Distanzwurf-Team der Liga. Aus der Nahdistanz treffen sie mit 70,2 % hingegen durchschnittlich.

Auch Lemgos Star Jonathan Carlsbogard kann mit 44,2 % Trefferquote bei 104 erfassten Versuchen aus über sieben Metern Entfernung den Durchschnitt seiner Mannschaft nur leicht nach oben ziehen. Unter den zehn Spielern mit den meisten Würfen aus über sieben Metern ist dies der drittschwächste Wert.

Der HC Erlangen schließt im Mittel aus 7,6 Metern ab (Rang 11). Bei ihnen sind sogar lediglich 47,7 % ihrer Würfe aus weniger als sieben Metern (Rang 16). Diese Herangehensweise stützt sich allerdings nicht in ihren Zahlen. Mit einer Trefferquote von nur 45,0 % sind sie das fünftschwächste Team aus sieben bis elf Metern. Zwar gehören sie aus der Nahdistanz auch nur zum Durchschnitt was die Wurfquote angeht, doch wie bei allen Teams ist diese auch bei den Erlangern eben deutlich höher (70,1 %).

Auffälligster Spieler ist bei den Erlangern natürlich Simon Jeppson. Mit 152 erfassten Versuchen sowie 82 Toren aus der Ferndistanz ist er ligaweit der Spieler mit den meisten Würfen sowie Toren aus der Entfernung. Diese trifft er auch mit ordentlichen 53,9 % (Rang 11 unter 69 Spielern mit mindestens 40 Würfen aus sieben bis elf Metern).

Die beiden Halbfinals sind also jeweils Duelle eines Top- und eines Durchschnitts-Angriffs sowie eines Teams mit Extrem- und durchschnittlichem Wert bei der Wurfentfernung. Statistisch gesehen sind Teams mit wenig Würfen aus der Distanz im Vorteil, doch Kiel zeigt, dass es auch anders geht. Dazu ist in einzelnen Spielen sowieso immer alles möglich, was nicht zuletzt der Pokalgewinn des TBV Lemgo Lippe im vergangenen Jahr gezeigt hat.

Julian Rux ist Datenanalyst und Datenjournalist. Auf seinem Blog Handballytics.de analysiert er aus neuen, datenbasierten Blickwinkeln alle möglichen Themen rund um den Handball. Ihr findet ihn auch auf InstagramFacebook und Twitter.