22.06.2021  LIQUI MOLY HBL

ÜberZahl - Die Zahlenkolumne: Warum die Eulen vom nächsten Wunder träumen können

Die Eulen Ludwigshafen haben zwar zwei Spieltage vor dem Saisonende drei Punkte Rückstand auf das rettenden Ufer, doch es wäre nicht das erste Mal, dass Ben Matschkes Team der Klassenerhalt in der letzten Sekunde gelingt. In der neuen Ausgabe von „ÜberZahl“ analysiert Handball-Blogger Julian Rux was für ein erneutes Wunder der Eulen spricht.

Wohl jeder Fan der LIQUI MOLY HBL erinnert sich noch an das furiose Saisonfinale vor zwei Jahren. Die Eulen schafften den Klassenerhalt, weil sie ihr letztes Spiel mit einem Tor Vorsprung gewannen, während gleichzeitig ihre Konkurrenten Bietigheim und Gummersbach unentschieden spielten. Damit blieben die Eulen in der Liga, während Bietigheim und Gummersbach abstiegen.

Ähnliches könnte sich nun auch in der Saison 2020/21 ereignen, haben die Eulen im Jahr 2021 doch einen erstaunlichen Aufschwung hingelegt. 

Wie vor zwei Jahren sind die Eulen zwar schlecht in die Saison gestartet, konnten sich nach der WM-Pause aber deutlich steigern. Damals holten sie in den 19 Spielen vor der WM-Pause lediglich 0,21 Punkte pro Spiel. In der aktuellen Saison waren es in 15 Spielen 0,29 Punkte pro Spiel. Nach der Pause waren es jeweils rund drei Mal so viele Punkte mit 0,67 vor zwei Jahren, bzw. 0,86 aktuell. Der Druck scheint die Mannschaft von Ben Matschke zu beflügeln.  

Über die gesamte Saison sind die Eulen mit 24,4 das Team mit den wenigsten Toren pro Spiel. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sie auch den schlechtesten Angriff der Liga stellen. Denn die wenigen Tore sind auch dem Spielstil der Mannschaft geschuldet. Die Offensive hat sogar den größten Anteil am Aufschwung in der Rückrunde, aber dazu später mehr. 

Der mathematisch kluge Underdog

Ben Matschke lässt sein Team so spielen, wie es ein Underdog aus mathematischer Sicht machen sollte: langsam. Denn je weniger Ballbesitze es in einem Spiel gibt, desto größer ist die Rolle des Zufalls. Unglückliche oder gar zufällige Aktion, wie ein Wurf an den Innenpfosten, der wieder rausspringt oder ein nur wenige Millimeter zu weit geworfener Pass, spielen eine umso größere Rolle, je weniger Ballbesitze es gibt. Und je größer der Zufall ist, desto größer sind die Chancen des Underdogs den Favoriten zu schlagen. 

Genau das ist bei den Eulen zu erkennen. In der Offensive spielen sie gerne die Angriffe lange aus. Mit durchschnittlich 37,7 Sekunden bis zum ersten Abschluss oder Ballverlust sind sie das Team, das sich im Angriff mit Abstand am meisten Zeit nimmt. 

In der Verteidigung lässt sich dies natürlich nicht ganz so sehr steuern. Die Eulen versuchen zwar mit vielen Stoppfouls den Gegner aus dem Rhythmus zu bringen, sind hier jedoch mit 33,7 Sekunden bis zum ersten Abschluss oder Ballverlust des Gegners genau auf dem Ligadurchschnitt. Unter den letzten sechs Teams der Liga ist dies trotzdem der höchste Wert. 

Insgesamt resultieren daraus 47,4 Ballbesitze pro Spiel, dem klar niedrigsten Wert der LIQUI MOLY HBL. Entsprechend haben sie und auch ihre jeweiligen Gegner also weniger Möglichkeiten Tore zu erzielen. 

Hauptgrund für den Aufschwung ist der Angriff

Werden alle Teams der HBL auf die gleiche Anzahl an Ballbesitzen gerechnet, dann stellen die Eulen über die gesamte Saison mit 27,1 Toren pro 50 Ballbesitze immerhin nur den viertschwächsten Angriff der Liga. 

Besonders beeindruckend ist auch hier die Entwicklung seit der WM-Pause. Vor der Winterpause waren es lediglich 23,6 Tore, tatsächlich der schlechteste Wert. Seither sind es 27,1 Tore pro 50 Ballbesitze, der immerhin zwölftbeste Wert. 

Kein anderes Team konnte sich so stark verbessern. Dieser Aufschwung ist nicht nur an den Zahlen abzulesen, sondern hat auch einen taktischen Hintergrund. Denn die Kurpfälzer haben ihren Angriff komplett umgestellt. 

Dominik Mappes erklärte dazu im Interview bei Sky, dass unter anderem ihre Spielanlage breiter sei und es weniger Kreuzbewegungen gebe, da diese zu vielen Ballverlusten geführt hätten. Letzteres bestätigen die Zahlen ebenfalls: Vor der WM-Pause verloren die Eulen so oft wie kein anderes Team den Ball (11,1 pro 50 Ballbesitze), seither sind sie immerhin bis auf Rang zehn (9,2) geklettert. 

Großen Anteil an dieser Entwicklung hat auch Hendrik Wagner. Vor der WM-Pause erzielte er noch lediglich 2,5 Feldtore pro Spiel bei einer Wurfquote von 45,5 %. Seither sind es starke 6,0 Tore bei immerhin 54,1 %. Kein anderer Spieler der LIQUI MOLY HBL warf in diesem Zeitraum so viele Tore. 

Die Konkurrenz schläft nicht

Allerdings haben auch die direkten Konkurrenten Minden und vor allem Balingen-Weilstetten in den vergangenen Wochen wichtige Punkte eingefahren und liegen jeweils drei Punkte vor den Eulen auf den rettenden Nichtabstiegsplätzen. 

Der HBW Balingen-Weilstetten ist seit der WM-Pause sogar in noch leicht besserer Form als Ludwigshafen. Sie haben seither mit 0,95 Punkten pro Spiel ein fast ausgeglichenes Punktekonto. In den letzten fünf Spielen stehen sie - wie die Eulen - bei ausgeglichenen 5:5 Punkten. 

Die Bilanz von GWD Minden seit der Winterpause ist nicht ganz so beeindruckend wie die ihrer Konkurrenten. Auch in den letzten fünf Spielen konnten sie lediglich zwei Punkte für sich verbuchen. Daher könnte es trotz der aktuell drei Punkte Vorsprung bei einer Niederlage gegen die Eulen am vorletzten Spieltag noch einmal richtig eng werden.  

In dem Fall könnte Ludwigshafen am letzten Spieltag nämlich sogar ein Unentschieden reichen, vorausgesetzt Balingen-Weilstetten (in Flensburg) und Minden (in Wetzlar) verlieren ihre Spiele. Denn beide direkten Vergleiche hätten sie in der Tasche.

Es müsste zwar schon einiges zusammenkommen für ein weiteres Eulen-Wunder, doch mit Last-Minute-Rettungen kennen sie sich ja aus.