15.01.2021  LIQUI MOLY HBL

ÜberZahl – Die Zahlenkolumne: Qualitäten und Unterschiede der Topteams

Zur Winterpause der LIQUI MOLY HBL hat sich in der Tabelle die Spreu vom Weizen getrennt. Mit der SG Flensburg-Handewitt, den Rhein-Neckar Löwen, dem THW Kiel und den Füchsen Berlin haben vier Teams über 20 Punkte auf dem Konto. In „ÜberZahl“ wirft Handball-Blogger Julian Rux einen ganz genauen Blick auf die Zahlen der vier Spitzenteams der LIQUI MOLY HBL.

Anhand von Statistiken kann sowohl die Qualität von Angriff und Verteidigung als auch der Spielstil von Mannschaften analysiert werden. Während alle vier Teams ohne Frage zu den besten Teams der Liga gehören, unterscheiden sie sich in einigen Aspekten:

1. Der Spielstil: Viele Wege führen nach Rom

Die Anzahl der Angriffe pro Spiel ist zum einen ein Indikator dafür, ob Teams im Angriff schnellen Handball spielen und zum anderen, ob sie in der Abwehr schnelle Abschlüsse zulassen. Als Angriff wird hierbei die gesamte Zeit bis der Ballbesitz wechselt bezeichnet. Ein Angriff kann also mehrere Würfe beinhalten.

Von den vier Spitzenteams liegt hier Kiel mit 51,8 Angriffen pro Spiel vorne. Ligaweit kommen nur TUSEM Essen und der TVB Stuttgart auf noch höhere Werte. Knapp dahinter liegen die Löwen mit 51,3 und die Füchse mit 51,2. Beide liegen aber noch über dem Ligaschnitt von 50,7. Flensburg befindet sich mit 49,1 Angriffen pro Spiel auf Platz 18 der Liga.

Bei den Wurfpositionen unterscheiden sich die vier Teams ebenfalls deutlich. Beide Teams aus Schleswig-Holstein gehören zu den Mannschaften der LIQUI MOLY HBL, die am wenigsten aus dem Rückraum (je 25,8 % ihrer Abschlüsse sind von dort) und stattdessen am meisten aus sechs Metern abschließen (Kiel: 40,8 %, Flensburg: 44,2 %). Die Löwen und Füchse gehören hier eher zum Liga-Durchschnitt. Auffällig beim THW Kiel ist zudem der geringe Anteil an Abschlüssen über die Außen (5,9 %). Sie sind dafür das Team mit dem höchsten Gegenstoß-Anteil (12,9 %). Auch die Löwen und Füchse haben hierbei deutlich überdurchschnittliche Anteile (11,1 % bzw. 11,7 %).

2. Der Angriff: Der Meister dominiert

Es gibt viele Möglichkeiten, die Qualität des Angriffs zu bewerten. Am naheliegendsten wäre es, die Anzahl der Tore einfach nur aufzusummieren. Diese Variante scheidet aber aufgrund der unterschiedlichen Anzahl an Spielen aus. Stattdessen könnten die durchschnittlichen Werte genommen werden. Dann hätte der THW Kiel die beste Offensive der Liga mit 33,0 Toren pro Spiel. Doch eigentlich ist es kein Wunder, dass der Meister hier so gut ist. Schließlich gehören sie auch zu den Teams mit den meisten Angriffen pro Spiel. Dies ist also auch nicht zwingend ein Qualitätsmerkmal.

Eine Alternative wäre die Wurfquote. Mit 66,4 % befindet sich der frischgebackene Champions-League-Sieger hier nur auf Platz drei. Doch auch die Wurfquote bildet nur einen Teil davon ab, was einen guten Angriff ausmacht. Schließlich können zum Beispiel viele Ballverluste den Vorteil von guten Wurfquoten egalisieren.

Am fairsten ist es, die Anzahl der Tore durch die Anzahl der Angriffe zu teilen. So erhält man den Anteil der tatsächlich erfolgreichen Angriffe. Zur einfacheren Interpretation der Zahlen kann dieser Anteil mit 50, der ungefähren Anzahl von Angriffen pro Spiel, multipliziert werden, womit er der tatsächlichen Anzahl an Toren in einem Spiel ähnelt. Die einzelnen Faktoren, damit dieser Wert möglichst hoch ist, sind also nicht nur viele Tore und eine hohe Wurfquote, sondern auch wenige Ballverluste.

Den besten Angriff der Liga stellt demnach der THW Kiel mit 31,8 Toren pro 50 Angriffe. Die starke Offensive der Zebras lässt sich nicht nur auf einen herausragenden Spieler zurückführen, sondern stützt sich auf gleich mehrere Schultern: Niclas Ekberg hat am fünftmeisten Tore pro Spiel in der HBL erzielt (6,5), Harald Reinkind ist der fünftbeste Torschütze aus dem Feld (4,8) und Sander Sagosen ist der zweitbeste Vorlagengeber (4,8). Dazu haben sie am zweitwenigsten Ballverluste und sichern sich am zweitmeisten Abpraller nach eigenen Fehlwürfen.

Knapp hinter Kiel folgt die SG Flensburg-Handewitt (31,0 Tore pro 50 Angriffe). Ihre Wurfquote liegt nur auf Platz 5, dafür sind sie das Team mit den wenigsten Ballverlusten. Mit Jim Gottfridsson haben sie auch den Spieler mit den meisten Assists pro Spiel (5,4) in ihren Reihen. Etwas hinter dem Spitzenduo folgen die Löwen und Füchse mit 29,0 bzw. 28,6 Toren pro 50 Ballbesitze. Die Mannschaft von Martin Schwalb hat zwar nur die achtbeste Wurfquote, dafür wenige Ballverluste. Die Füchse hingegen haben eine etwas bessere Wurfquote, dafür allerdings mehr Ballverluste und wenige zweite Wurfchancen.

3. Die Verteidigung: Das beste Team kommt aus dem Mittelfeld der Tabelle

Für die Verteidigung gilt natürlich das selbe wie für den Angriff. Die aussagekräftigste Kennzahl sind also die Gegentore pro 50 gegnerische Angriffe. Eine gute Defensive kassiert also nicht nur möglichst wenige Gegentore mit einer geringen Wurfquote oder hohen Paradenquote des Torhüters, sondern erzwingt auch möglichst viele Ballverluste und lässt wenige zweite Wurfchancen zu.

Die Füchse Berlin und die Rhein-Neckar Löwen sind mit 25,2 bzw. 25,1 Gegentoren pro 50 Angriffen hier noch einen Tick besser als die beiden Teams aus dem hohen Norden. Die Füchse haben mit 57,2% die zweitniedrigste gegnerische Wurfquote. Die glänzen sogar in allen Kategorien. Besser ist nur noch der SC DHfK Leipzig, welcher allerdings im Angriff Probleme hat. Insgesamt liegen die 20 Teams der LIQUI MOLY HBL hier viel näher zusammen als im Angriff.

Flensburg stellt die sechstbeste Verteidigung der Liga mit 25,9 Gegentoren pro 50 Angriffen. Sie haben zwar mit Benjamin Buric den Torhüter mit der besten Paradenquote der Liga (35,4 %), doch erzwingen wenig Ballverluste und lassen viele zweite Wurfchancen zu. Minimal besser ist der THW Kiel mit 25,7. Die Gegner der Zebras haben zwar etwas mehr Ballverluste als Flensburg, dafür jedoch auch eine bessere Wurfquote.

Julian Rux ist Gründer von Handballytics.de – Handball in Zahlen. Dort analysiert er aus neuen, datenbasierten Blickwinkeln alle möglichen Themen rund um Handball. In seinem Blog findet ihr auch aktuelle Analysen zu allen weiteren 16 Teams der LIQUI MOLY HBL. Ihr findet ihn auch auf InstagramFacebook und Twitter.