02.06.2021  LIQUI MOLY HBL

ÜberZahl - Die Zahlenkolumne: Formcheck der REWE Final4-Teams

Am Donnerstag und Freitag ist es endlich so weit. Das aufgrund der Corona-Pandemie verschobene REWE Final4 um den DHB-Pokal 2020 wird ausgetragen. In der neuen Ausgabe von „ÜberZahl“ analysiert Handball-Blogger Julian die vier Teilnehmer des REWE Final4. Welche Bereiche werden ausschlaggebend sein für Sieg oder Niederlage und wer ist statistisch gesehen der große Favorit?

David gegen Goliath: TBV Lemgo Lippe vs. THW Kiel

Im ersten Halbfinale treffen der TBV Lemgo Lippe und der THW Kiel aufeinander. Die Favoritenrolle ist hier klar verteilt und wird vom Titelverteidiger auch angenommen: Ohne zu zögern sagte Dario Quenstedt in der REWE Final4-Sonderausgabe von Hand aufs Harz, dass der THW der Favorit auf den Pokalsieg sei. Zahlen zu finden, die diese Kampfansage untermauern, fällt dabei nicht besonders schwer.

Der Rekordpokalsieger führt nicht nur die Tabelle der LIQUI MOLY HBL an und hat 13 Ligaspiele in Folge für sich entscheiden, sondern ist auch in allen wichtigen statistischen Kategorien das Nonplusultra in der aktuellen Saison. Mit 31,3 Toren pro 50 Ballbesitze stellen sie den besten Angriff der Liga. 25,8 Gegentore pro 50 Ballbesitze ist ebenfalls der beste Wert der LIQUI MOLY HBL.

In der vergangenen Saison, als sie den Final4-Einzug klar machten, waren die Zahlen ähnlich stark. Größter Unterschied zu letzter Saison ist, dass mittlerweile Sander Sagosen der zentrale Punkt der Offensive ist. Schlechter hat das den Titelverteidiger offensichtlich nicht gemacht.

Das mögliche Finale wäre das zehnte Spiel in 27 Tagen für das Team von Filip Jicha. Trotz der hohen Belastung lässt sich allerdings aus den Zahlen der letzten LIQUI MOLY HBL-Spiele keine Schwächephase ablesen.

Was den Tabellenplatz betrifft, hat sich auch beim TBV Lemgo Lippe im Vergleich zur Vorsaison, als sie sich für das REWE Final4 qualifizierten, praktisch nichts verändert. Aktuell stehen sie auf Platz elf, letzte Saison war es Platz zehn.

Was sich jedoch verändert hat, ist die Art und Weise, wie sie diesen Platz erreichen. In der Vorsaison stellten sie den fünftbesten Angriff der Liga mit 28,5 Toren pro 50 Ballbesitze, in der aktuellen Spielzeit reicht es nur noch für Platz 13 mit 26,1 Toren pro 50 Ballbesitze.

Dafür haben die Lipperländer eine beachtliche Entwicklung in der Defensive hingelegt. Hier läuft es mit 27,1 Gegentoren pro 50 Angriffe deutlich besser als in der vergangenen Saison, als sie noch 28,6 Gegentoren pro 50 Ballbesitze hinnehmen mussten.

Die Abwehr des TBV steht insgesamt deutlich besser als im Vorjahr. Unter anderem zwingen sie ihre Gegner zu den viertmeisten Ballverlusten der Liga. Großen Anteil an der verbesserten Verteidigung hat Neuzugang Gedeon Guardiola. Der Spanier liegt mit 0,9 Blocks pro Spiel sowie 0,5 Steals pro Spiel jeweils auf Platz elf der Liga. Kein anderer Spieler ist bei diesen beiden Kategorien unter den Top 15.

Da lässt es sich auch verschmerzen, dass die Paradenquote der Lemgoer Keeper im Vergleich zum Vorjahr etwas nach unten gegangen ist. Gemeinsam kommen Torhüter Johannesson und seine Vertreter auf eine Paradenquote von lediglich 23,9 %. Dies ist der schlechteste Wert der Liga. Die Kieler Torhüter führen mit insgesamt 30,4 % gehaltenen Bällen auch hier die Liga an.

Um eine Chance gegen den THW zu haben, benötigen die Lipper also einen Sahnetag im Angriff sowie eine überdurchschnittliche Torhüterleistung.

Duell der Gegensätze: MT Melsungen vs. TSV Hannover-Burgdorf

Das zweite Halbfinale ist das Aufeinandertreffen zweier Teams, bei denen in dieser nicht alles rund läuft.

Bei der MT Melsungen sind die Zahlen an sich recht ähnlich zum Vorjahr: Sie erzielen 28,1 Tore (Vorjahr: 27,7) und kassieren 27,6 Gegentore pro 50 Ballbesitze (Vorjahr: 27,1). Im Angriff ist das jeweils leicht überdurchschnittlich in der Abwehr leicht unterdurchschnittlich, aber eben doch deutlich von den Ansprüchen entfernt.

Im Angriff liegt der Fokus auf den beiden Rückraumspielern Julius Kühn und Kai Häfner. Gemeinsam sind sie für 43,9 % aller Feldwürfe und herausgeholten Siebenmeter der MT verantwortlich. Dies ist der höchste Wert der Liga. Kühn ist mit 5,7 Feldtoren pro Spiel der beste Feldtorschütze der Liga, Häfner liegt mit 5,0 knapp dahinter auf Rang drei. Kein anderes Team stellt gleich zwei Spieler in den Top 10.

Besonders Kühn, aber auch Häfner sind für ihre Würfe aus dem Rückraum bekannt. Insgesamt 31,9 % ihrer Abschlüsse nehmen die Melsunger aus neun Metern, der sechsthöchste Wert der Liga. Von dort treffen sie zu 47,3 %, was wiederum der zweitbeste Wert der Liga ist. Doch trotzdem ist die gesamte Wurfquote des MT mit 63,6 % nur die siebtbeste der Liga. Denn Rückraumwürfe sind eben die am wenigsten effizienten Würfe.

Die TSV Hannover-Burgdorf ist in Sachen Wurfauswahl das genaue Gegenteil des Teams von Gudmundur Gudmundsson. Lediglich 26,4 % ihrer Würfe kommen aus dem Rückraum. Dies ist der drittgeringste Anteil der Liga. Dafür sind sie das Team, das am meisten aus sechs Metern abschließt (43,1 %). Aus beiden Positionen treffen sie jedoch deutlich unterdurchschnittlich (38,0 % bzw. 66,4 %).

Ein weiterer Gegensatz ist, dass die Verantwortung im Angriff der Recken auf deutlich mehr Schultern als bei Melsungen verteilt ist. Ivan Martinovic und Fabian Böhm sind bei Hannover die Spieler mit dem höchsten Anteil an Würfen und herausgeholten Siebenmetern. Gemeinsam kommen Sie jedoch auf lediglich 26,5 %. Dies ist der geringste Wert eines Top-Duos. Julius Kühn alleine liegt nur drei Prozentpunkte darunter.

Defensiv ist die Mannschaft von Antonio Carlos Ortega wiederum auf dem gleichen Niveau wie im Vorjahr mit durchschnittlichen 27,0 Gegentoren pro 50 Ballbesitze.

Hätte das REWE Final4 wie geplant in der vergangenen Saison stattgefunden, wären also wohl die Recken als Favorit ins Rennen gegangen. Ihre Zahlen waren besser und sie konnten davor sowohl die SG Flensburg-Handewitt als auch die Rhein-Neckar Löwen aus dem Turnier werfen. In der aktuellen Spielzeit ist die MT insgesamt etwas besser.

Großer Favorit auf den Pokalsieg ist aber ohne Frage der THW Kiel. In einem einzelnen Spiel ist allerdings aus statistischer Sicht jedes Team schlagbar. Denn da sämtliche hier aufgeführte Statistiken Mittelwerte über die gesamte Saison sind, gleicht sich hier der Zufall aus. Bei einem einzelnen Spiel ist aber auch statistisch alles möglich.

Julian Rux ist der Gründer von Handballytics.de – Handball in Zahlen. Dort analysiert er aus neuen, datenbasierten Blickwinkeln alle möglichen Themen rund um Handball. Ihr findet ihn auch auf InstagramFacebook und Twitter.