22.02.2021  LIQUI MOLY HBL

Kiel erkämpft sich einen Punkt gegen Magdeburg

Lange lagen die Kieler in eigener Halle gegen den SC Magdeburg zurück, so stand es zur Pause 11:14 für die Gäste. Doch danke eines in der zweiten Hälfte stark aufspielenden Niklas Landin im Tor und einem kämpferischen Domagoj Duvnjak gelang dem THW noch die Aufholjagd zum 24:24-Unentschieden. Eine Szene in den Schlusssekunden sorgte allerdings für Diskussionen.

Genau eine Trainingseinheit am Samstagvormittag blieb den Kielern nach ihrer 14-tägigen Quarantäne, um wieder ins Laufen, Werfen und Passen zu kommen. Nach zwei Wochen ohne Handball ein fast unmögliches Unterfangen, und so blickte man bei den Kielern sorgenvoll auf eine Partie, in der es zuletzt immer zur Sache ging. Viermal hatten die Zebras in Folge gegen den SC Magdeburg verloren, der auf seiner Homepage schrieb, man sein "in Kiel noch nie in solch einer Favoritenrolle" gewesen wie am gestrigen Sonntag. Die verfestigte umso mehr, als der SCM beinahe in Bestbesetzung antreten konnte, während beim THW Kiel Nikola Bilyk und Miha Zarabec fehlten, Rune Dahmke machte sich nach seiner Knie-Operation zwar mit warm, sollte aber nicht zum Einsatz kommen. 

Trotz aller negativen Vorzeichen starteten die Zebras stark in die Partie: Weinhold eröffnete sie mit einem feinen Dreher, Niklas Landin war sofort zur Stelle, und Wiencek erzielte das 2:0. Eine Führung, die - nach zwischenzeitlichem Ausgleich der Domstädter - bis zum 7:5 in der 15. Minute hielt. Weinhold erhielt eine Zeitstrafe, die den Zebras sichtlich weh tun sollte: Daniel Petterson, bester SCM-Torschütze, erzielte vier Treffer in Serie und brachte seine Farben mit 9:7 in Führung, während der THW Kiel auch mit dem Glück haderte: Duvnjak traf nur den Innenpfosten, und Landin war bei einigen Würfen zwar dran, die dann aber doch ins Tor trudelten. Bei den Zebras war hingegen - verständlicherweise - ordentlich Sand im Getriebe. Die Feinabstimmung passte nicht, Pässe gingen ins Leere, und auch vor dem Tor fehlte oft gegen die aggressiv verteidigen Magdeburger der berühmte erste Schritt, um Lücken zu reißen.

Also besannen sich die Zebras noch stärker als zuvor auf ihre kämpferischen Qualitäten, warfen wirklich alles in die Waagschale, um nicht abreißen lassen zu müssen. Als Duvnjak zum 9:10 traf, waren die Kieler wieder dran. Dann musste Magnus Landin nach einer umstrittenen Zeitstrafe für zwei Minuten auf die Bank - wieder nutzte der SCM die numerische Überzahl, um auf 12:9 davonzuziehen. Schon zu diesem Zeitpunkt, gespielt waren 24 Minuten, war klar, dass es ein Torfestival zwischen diesen beiden Mannschaften heute nicht geben würde. Auch, weil Jannick Green im SCM-Kasten bis zum Wechsel nur noch zwei Treffer zuließ: Nach Steal von Pekeler traf Ekberg zum 11:13, doch Steinert konnte quasi mit der Sirene noch auf 14:11 für die Gäste erhöhen. 

Mit Wucht und Niklas Landin in Galaform kamen die Kieler zurück aus der Kabine: Der Kieler Weltmeister zwischen den Pfosten entschärfte reihenweise Würfe und ermöglichte seinen Vorderleuten, zurück ins Spiel zu finden: Sander Sagosen traf per Gegenstoß zum 12:14, Weinhold bediente Ekberg mit einem feinen Anspiel hinter dem Rücken zum 13:14. Der Ausgleich sollte allerdings nicht gelingen, durch einen Mertens-Doppelschlag zogen die Grün-Roten wieder auf 16:13 weg. Es folgten fünf wilde Minuten, in denen beiden Teams kein Torferfolg gelingen sollte. Den Bann brach Duvnjak, der bei drohendem Zeitspiel zum 14:16 vollstreckte. Aber die Gäste blieben am Drücker, konterten immer dann, wenn der THW - wie nach Wienceks Treffer vom eigenen Kreis ins verwaiste SCM-Tor zum 17:18 - am Ausgleich schnupperten. O'Sullivan markierte das 20:17 (48.).

Mit zunehmender Spieldauer kehrte aber die Sicherheit zurück ins Kieler Spiel. Die Automatismen in der Abwehr wurden wieder abgerufen, und vorn konsequent zu Ende gespielt. Reinkind traf zum Anschluss, Sagosen nach Pekeler-Steal zum 19:20. Filip Jicha stellte im Rückraum um, spielte fortan mit Weinhold auf der Mitte und Reinkind auf Halbrechts. Ein Schachzug, der funktionierte: Reinkind traf zum 21:22, nachdem Duvnjak Sekunden zuvor im Gesicht getroffen worden war. Das Schiedsrichtergespann zeigte erst O'Sullivan die rote Karte, korrigierte sich nach Interventionen dann aber und schickte Chrapkowski vom Feld. Wieder zwang die Kieler Defensive den SCM ins Zeitspiel, und mit einem Wurf ins leere Tor traf Duvnjak zum Ausgleich. Magdeburg reagierte mit der erneuten Führung, Duvnjak traf zum Ausgleich. Und als Niclas Ekberg einen von Reinkind herausgeholten Siebenmeter zum 24:23 (56.) verwandelte, lag der THW zum ersten Mal seit der 16. Minute wieder vorn.

Rein in die Schlussphase, die Magnusson vom Siebenmeterstrich mit dem Magdeburger Ausgleich einläutete: 16 Sekunden waren noch zu spielen, und es wurde richtig packend. Green entschärfte einen Weinhold-Wurf, die THW-Abwehr zwang Magdeburg ins passive Spiel - der THW Kiel bekam die Chance auf zwei Punkte, ging einmal mehr All-In. Brachte 16 Sekunden vor dem Ende den siebten Feldspieler und Duvnjak in Position, dessen Wurf Green zur Seite abwehrte. Was folgte, ließ den Puls der Kieler noch einmal in die Höhe schießen: Wie schon beim Champions-League-Halbfinale in Köln blieb ihnen in der entscheidenden Szene ein klarer Siebenmeter verwehrt. Was war passiert? Green hechtete dem Ball hinterher, den sich Magnus Landin gegriffen hatte. Das Tor war frei, weil Green aus dem Kreis rutschte, Landin behinderte, der dann noch von Pettersson zu Boden gerissen wurde. Statt des fälligen Siebenmeters entschieden Thöne/Zupanovic aber nur auf Freiwurf, der im SCM-Block hängenblieb. Trotzdem: Unter dem Strich holten sich die Zebras einen Punkt, anstatt am grünen Tisch zwei zu verlieren - was für ein Wille der Kieler!  

Stimmen zum Spiel

THW-Trainer Filip Jicha: Wir haben heute zwei stolze Trainer in der Runde. Ich habe meinen Jungs in der Kabine gesagt: Das, was Ihr heute gezeigt habt, macht mich unglaublich stolz, bei euch an der Seitenlinie stehen zu dürfen. Gegen solch eine Mannschaft wie Magdeburg, die stark gespielt hat, nur einen Tag nach 14 Tagen Wohnzimmer einen Punkt zu holen, ist defintiv etwas, worauf wir stolz sein können. Ich werde immer wiederholen: Es ist für mich unverständlich, dass dieses Spiel angepfiffen werden musste. Dieses Spiel hätte aus gesundheitlichen Gründen niemals stattfinden dürfen. Wenn man sieht, mit welcher Intensität gespielt wurde, welche Kräfte da entstehen, ist das vergleichbar mit einem untrainierten Menschen, der auf einmal mit einem Boxer im Ring stehen muss. Das war für mich heute ein sorgenvoller Tag, nach dem ich umso stolzer bin. Glückwunsch an Benno und den SCM zum Punkt hier in Kiel.

SCM-Trainer Bennet Wiegert: Ich bin heute in einem Gefühlschaos. Haben wir einen Punkt verloren? Oder haben wir einen Punkt gewonnen? Zum Glück muss ich das nicht bewerten. Aber ich bin stolz auf die Leistung meiner Mannschaft, die hier unbdingt was mitnehmen wollte und 60 Minuten dafür gekämpft hat. Deshalb freue ich mich über wenigstens einen Punkt, der mehr als verdient ist. Ab der 45 Minute haben wir uns im Angriff schwerer getan, in der Abwehr standen wir gut gegen alles, was der THW Kiel versucht hat. Da haben wir stabil verteidigt und es dem THW Kiel schwer gemacht. Bei 24:23 wechselt das Momentum zu den Kielern, wir erzielen den Ausgleich und verteidigen aufopferungsvoll das Unentschieden. Egal wie die Vorzeichen sind: Ein Punkt in Kiel wird für uns nie etwas Selbstverständliches sein.

Quelle: THW Kiel 

Foto: Klahn