18.01.2020  Handball Europameisterschaft

Showdown gegen Kroatien

Nach dem Auftaktsieg in der Hauptrunde gegen Weißrussland fiebern die deutschen Handballer dem Showdown gegen Kroatien entgegen. Es geht darum, die Chance für den Einzug ins Halbfinale zu wahren.

Timo Kastening zog voll ab - und landete den nächsten Volltreffer. Johannes Bitter, sein neuestes "Opfer", fiel einfach um. Der Senkrechtsstarter im deutschen Team hatte seinen Keeper beim lockeren Trainingskick aus nächster Nähe im Gesicht getroffen. "So, jetzt bin ich wach", sagte Bitter, kniff kurz die Augen zusammen, berappelte sich und lachte. An der Seitenlinie feixten Kapitän Uwe Gensheimer und seine Kollegen.

Beim Anschwitzen für den Showdown gegen Kroatien am Samstag (20.30 Uhr/ZDF) fiel vor allem eines auf: Pünktlich zur heißen Turnierphase ist bei den deutschen Handballern die Lockerheit zurückgekehrt, der Kantersieg gegen Weißrussland (31:23) setzt Kräfte frei. Den Spielern ist aber klar: Nur mit einem Sieg gegen den alten Rivalen lebt ihr Medaillentraum bei der EM weiter.

"Das ist unser einziger Weg, wenn es wirklich noch zur Finalrunde nach Schweden gehen soll", sagte Gensheimer vor dem Klassiker gegen den Ex-Weltmeister. Aus dem kroatischen Lager war von einem "sportlichen Krieg" zu hören, doch die deutschen Spieler blieben vor ihrem "Endspiel" um das Halbfinale cool. Statt in die martialische Rhetorik des Gegners einzustimmen, strahlten sie förmlich vor Vorfreude.

"Wir haben Bock auf das Spiel", sagte Rückraumspieler Julius Kühn. Mit Blick auf die ausverkaufte Wiener Stadthalle und die vielen Fans aus beiden Lagern könne er sich "vorstellen, dass das Hallendach wegfliegen wird". Und Rechtsaußen Kastening, der mit sechs Treffern bei sechs Versuchen zum Hauptrundenauftakt überzeugt hatte, meinte: "Wenn du die Kroaten dazu bekommst, dass sie ein bisschen emotionaler werden, dann sieht es gut aus für uns."

Dabei scheinen die Emotionen auf kroatischer Seite schon vor dem Duell hochzukochen. Igor Vori, langjähriger Bundesligaspieler und Teammanager der Kroaten, heizte die Stimmung ordentlich an. "Das wird ein sportlicher Krieg, eine Stunde lang sportlicher Krieg", sagte Vori der Hamburger Morgenpost (Samstagausgabe): "Das ist Kroatien gegen Deutschland, da spielt es keine Rolle, was in den Spielen vorher war."

Bundestrainer Christian Prokop hat großen Respekt vor dem Gegner, der nach vier Siegen aus vier Spielen zu den Titelanwärtern zählt. "Sie sind eine absolute Top-Mannschaft mit absoluten Topspielern", sagte Prokop am Freitag. Mit kühlem Kopf will er die heißblütigen Kroaten ausbremsen. So wie vor einem Jahr bei der Heim-WM, als es - ebenfalls in der Hauptrunde - einen hauchdünnen 22:21-Erfolg gab und Deutschland später das Halbfinale erreichte. Auch zwei Testspiele im Herbst gewann das DHB-Team jeweils mit einem Tor.

"Das ist Schnee von gestern", sagte Prokop. Er erwartet am Samstag eine "intensive und heiße Partie". Ob sein Team, wie von Kroatiens Kapitän Domagoj Duvnjak behauptet, Favorit sei? "Wenn wir an unserer Teamgeist-Maschinerie festhalten, könnte er recht behalten", sagte Prokop und lächelte.

Ein Defensiv-Bollwerk mit starken Torhütern und blitzschnellen Gegenstößen: Was gegen Weißrussland erstmals im Turnier über nahezu die gesamten 60 Minuten richtig gut klappte, soll gegen Kroatien noch besser werden. "Eine Leistung wie gegen Weißrussland wird nicht reichen. Wir brauchen noch zehn Prozent mehr", forderte DHB-Vizepräsident Bob Hanning. Entscheidend werde sein, "wie wir die Abwehr bespielen, gegen die Spanier ist uns ja nicht so viel eingefallen".

Zum entscheidenden Faktor könnte die neu entfachte Euphorie beim WM-Vierten werden. "Vor dem Weißrussland-Spiel war die Stimmung in Handball-Deutschland so, dass wir nur noch verlieren können", sagte Kastening und frohlockte: "Nun haben wir Kroatien vor der Brust und auf einmal wieder etwas zu gewinnen."

Quelle: SID

Foto: Klahn