23.01.2020  Handball Europameisterschaft

Johannes Bitter im Porträt: Mensch, Mentor, Medaillenjäger

Hendrik Pekeler hat in der LIQUI MOLY HBL vor seiner Rückkehr zum THW Kiel 2018 bereits für den TBV Lemgo, den Bergischen HC und die Rhein-Neckar Löwen gespielt. Unzählige Kabinenansprachen hat er gehört. Und ein Element hat sich dabei in den Jahren immer wiederholt: „Jogi Bitter im Tor des Gegners, das war und ist immer ein Thema. Jogi flößt Respekt ein, er ist im Kopf der Gegner. Das ist in der Bundesliga so – und das ist auch international so.“

Und wenn ein Torwart „im Kopf des Gegners“ ist, dann stehen die Chancen des Keepers gut, dass als Folge der Ball nicht so oft in dem von ihm bewachten Tor landet. Johannes „Jogi“ Bitter (37) gehört zu den Gewinnern der deutschen Nationalmannschaft bei der EM. Es war ein kluger Schachzug von Bundestrainer Christian Prokop, den Routinier des TVB Stuttgart vom Comeback in der Nationalmannschaft zu überzeugen.

2011 war Bitter aus privaten Gründen zurückgetreten, 2015 half er im Play-Off zur WM noch mal kurz aus. Das war nur ein Intermezzo.

Aber jetzt ist er wieder voll da!  

Beim 34:22 gegen EM-Mitgastgeber Österreich in Wien hielt er am Montag mit 15 Paraden 54 Prozent der Bälle, eine Weltklassequote. Auch beim 26:22 im letzten Hauptrundenspiel am gestrigen Mittwoch gegen Tschechien überzeugte der 2,05 Meter große blonde Hüne aus dem niedersächsischen Oldenburg.

Andreas Wolff ist eher nicht dafür bekannt, Torwart-Kollegen überschwänglich zu loben. Zu tief ist beim Nationaltorwart der Konkurrenzgedanke verwurzelt. Aber über Bitter sagt Wolff: „Er ist eine emotionale Stütze für mich. Es macht Spaß, mit ihm ein Torwart-Gespann zu bilden.“

Jürgen Schweikardt, den Manager des TVB Stuttgart, überrascht das nicht: „Jogi ist ein vorbildlicher Profi, er ist unsere Galionsfigur. Durch ihn werden wir als Klub ganz anders wahrgenommen.“

2016 schloss sich Bitter dem TVB Stuttgart an. Aus der Not geboren. Denn der Weltmeister von 2007 war auf der Suche nach einem neuen Arbeitgeber, nachdem der HSV Hamburg durch dessen Insolvenz die HBL verlassen musste. In Stuttgart erkannten sie die Chance, die das Hamburger Handball-Drama bot: Bitter holen!

Seitdem haben es beide Seiten nie bereut. Bitter verschrieb sich vom ersten Tag an voller Professionalität und Hingabe seinem neuen Klub. Auch, weil die Stuttgarter so klug waren und sind, Bitter in einem entscheidenden Punkt entgegen zu kommen. Er ist Vater von drei Kindern. Die leben in Hamburg. Der Kontakt zu ihnen ist ihm extrem wichtig. Also erlaubt der TVB, dass Bitter jede Woche für einen Tag nach Hamburg reisen kann. Schweikardt räumt ein, „dass das sicher nicht möglich wäre, wenn wir in der Champions League spielen würden. Aber so machen wir es gerne.“

Denn Bitter ist ein Vorbild. So wie er bei der Nationalmannschaft als Teamplayer beeindruckt, so macht er das auch für die Schwaben in der LIQUI MOLY HBL.

Bitter ist Kapitän des Teams – und Mentor seines Torwart-Kollegen Nick Lehmann (20). Der ist der jüngste Torwart der Liga, seit der D-Jugend im Verein. Und für Bitter ist es selbstverständlich, ihm Tricks und Kniffe zu verraten, um noch besser zu werden.

So hat auch Martin Schwalb das erwartet. Er als Trainer und Bitter als Torwart hatten zusammen grandiose Zeiten beim HSV Hamburg, wurden Meister, Pokalsieger und gewannen die Champions League. Schwalb lobt Bitter: „Jogi ist ein ganz feiner Mensch. Er ist seinen drei Kindern ein hingebungsvoller Vater und insgesamt eine sehr reflektierte Persönlichkeit.“

Menschlichkeit und Gerechtigkeit sind für Bitter Werte, für die es sich zu kämpfen lohnt. So engagiert er sich als Gründungsmitglied ehrenamtlich in der Spielergewerkschaft GOAL, die vor allem für die Anpassung und Verbesserung internationaler Terminkalender kämpft. Auch setzt sich Bitter seit 2009 für die Stiftung Mittagskinder ein. Diese Stiftung möchte sozial benachteiligten Kindern in einer betreuten Gemeinschaft bessere Chancen für den Weg ins Leben geben. Wärme, Bindung, Perspektive – all das ist Bitter wichtig.

Beim TVB Stuttgart würden sie sich freuen, wenn die Wärme für Bitter in diesem Klub zu einer längeren Bindung führt, auch über das Saisonende hinaus. „Wir möchten gerne, dass er noch länger bei uns bleibt“, sagt Schweikardt. Zum Glück gehört die Qualifikation für die Champions League nicht zu den erreichbaren Perspektiven für die Schwaben – das erhöht die Chancen auf seinen Verbleib.

Nachdem es bei der EM nicht mit einer Medaille geklappt hat (der DHB spielt am Samstag in Stockholm um Platz 5), hat Bitter neue Ziele für dieses Jahr: „Ich möchte zu Olympia.“ Da will er nämlich einen neuen Anlauf auf eine Medaille nehmen. Für die Olympischen Spiele in Tokio muss sich der DHB im April in Berlin qualifizieren.

Eine olympische Medaille fehlt Bitter noch in seiner Sammlung. Als er 2007 Weltmeister wurde, holte übrigens Anna Loerper (35) im gleichen Jahr mit der deutschen Frauenhandball-Nationalmannschaft Platz 3 bei der WM. Bitter und Loerper – die für SG BBM Bietigheim spielt – sind ein Paar. Logo, dass in der Wohnung in Stuttgarts Innenstadt viel über Handball gesprochen wird.

Loerper hat 246 Länderspiele absolviert. Will Bitter diese Marke knacken, dann wird Olympia 2020 nicht reichen. Dann wird er wohl bis mindestens Olympia 2024 in Paris durchspielen müssen.

Selbst sein so ehrgeiziger DHB-Torwartkollege Andreas Wolff hätte da aktuell nichts dagegen.

Johannes Bitter im Steckbrief

Aktueller Verein: TVB Stuttgart
Alter: 37
Position: Torwart
Größe: 2,05 Meter
Wurfhand: rechts

Bisherige Vereine:
SG VTB Altjührden 1999 - 2002
Wilhelmshavener HV 2003 - 2003
SC Magdeburg 2003 - 2007
HSV Hamburg 2007 - 2016
TVB Stuttgart seit 2016

Erfolge:
Weltmeister 2007
EHF-Pokalsieger 2007 (mit dem SC Magdeburg)
DHB-Pokalsieger 2010 (mit HSV Hamburg)
Deutscher Meister 2011 (mit HSV Hamburg)
Champions League-Sieger 2013 (mit HSV Hamburg)