19.09.2018  2. HBL

Ferndorf-Trainer Michael Lerscht: "In der Mannschaft steckt ein Riesenspirit!"

Michael Lerscht ist der Architekt des Ferndorfer Höhenflugs. Der Aufstiegstrainer sorgt auch in der 2. Handball-Bundesliga für Furore und steht mit seinem TuS Ferndorf nach vier Spieltagen punktgleich mit dem HSC 2000 Coburg auf Platz Eins. Im Interview der Woche spricht der Lehrer für Mathematik und Sport über den Saisonstart, seine Vorfreude auf den HBW Balingen-Weilstetten und einen Heiratsantrag der etwas anderen Art.

Hallo Michael, du bist nicht nur Trainer des TuS Ferndorf, sondern auch Lehrer in den Fächern Sport und Mathematik. Kannst du uns denn kurz ausrechnen, wieviele Tage dein Team bis zum Balingen-Spiel am Samstag ohne Punktspielniederlage sein wird? 

Michael Lerscht: (lacht) Zufällig habe ich das in einem Artikel auf eurer Homepage gelesen. Das waren irgendwas mit 400 Tagen. Genau weiß ich es aber nicht mehr. 

Es werden dann genau 470 Tage sein.

Michael Lerscht: Als Mathelehrer müsste man das eigentlich wissen (lacht). Das ist natürlich eine schöne Serie, die uns aber gar nicht so wichtig ist. Wir sind sehr froh und glücklich über den Start und wissen aber, dass auch diese Serie irgendwann einmal reißen wird.

Nähern wir uns der Mathematik und dem Handball von einer anderen Seite. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass der TuS Ferndorf als Aufsteiger den Durchmarsch in die DKB Handball-Bundesliga schafft? 

Michael Lerscht: (lacht) Wahrscheinlich sehr, sehr gering. Für uns gilt es Punkte zu sammeln und mehr nicht. Die Jungs machen ihren Job toll und rufen ihr Können Woche für Woche ab. Das klappt bisher ganz gut, kann sich aber auch schnell ändern. Die 2. Handball-Bundesliga ist verrückt. Da muss man sich nur mal die Ergebnisse anschauen. Du kannst keinen einzigen Spieltag prognostizieren. Wenn du auf diese Liga tippen würdest, würdest du auf jeden Fall nicht reich werden.

Die Statistik besagt, dass seit der Saison 2011/12 immer mindestens eine Mannschaft, die nach vier Spieltagen auf einem Aufstiegsplatz der 2. Handball-Bundesliga stand, später auch aufgestiegen ist. Dürfen sich die Fans Hoffnungen machen? 

Michael Lerscht: Das ist doch klar, dass die Fans nach so einem Start träumen und das dürfen sie auch. Jetzt ist es natürlich so, dass es in einigen Saisons, die in diese Statistik reinlaufen, noch drei Aufsteiger gegeben hat. Da müsste man die Statistik einmal auf den ersten und zweiten Platz überprüfen. In der Mathematik heißt es: Glaube nie einer Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast (lacht). Ich freue mich über die Euphorie im Umfeld und dass die Zuschauer in der Stählerwiese so ein Feuerwerk abfackeln und uns nach vorne peitschen. Aber wir kommen aus der 3. Liga. Deshalb sollten wir erst einmal demütig bleiben und die Nerven bewahren.

Ihr seid der beste Aufsteiger seit vier Jahren. Damals startete der Wilhelmshavener HV ebenfalls mit 7:1-Punkten. Hast du mit diesem Auftakt gerechnet?

Michael Lerscht: Ich habe mich vor der Saison mit meinem sportlichen Leiter Mirza Sijaric unterhalten. Bei dem Gespräch haben wir uns auf eine Anzahl von Punkten geeinigt, mit der wir nach den ersten vier Spieltagen zufrieden wären. Die haben wir deutlich übertroffen.

Am Samstag geht es zum HBW Balingen-Weilstetten. Wenn man sich die Tabelle anschaut, kann man vielleicht von verkehrter Welt sprechen. Was erwartest du? 

Michael Lerscht: Ich freue mich mega auf das Spiel. Ich kann mich nicht erinnern, dass es jemals ein Spiel zwischen Balingen und Ferndorf gegeben hat. Der HBW ist ein großer Verein, der jahrelang in der DKB Handball-Bundesliga gespielt hat. Aus dem Fernseher kennt man die ‚Hölle Süd‘ auf der Alb. Da freuen wir uns alle mega drauf. Das ist das, was wir wollen. Deshalb spielen wir Handball - um vor vollen Hallen und geilem Publikum zu spielen und diesen Adrenalinkick zu bekommen. Ich denke, dass Balingen immer noch recht entspannt ist, auch wenn die Tabellensituation gerade so ist, wie sie ist. Mit den Spielen in Lübeck, Hamm und in Dresden hatte der HBW drei echte Pfunde auswärts. Jetzt ist der Druck größer. Intern wird Jens Bürkle (Trainer HBW Balingen-Weilstetten, Anm. der Redaktion) das Spiel gegen uns als Pflichtsieg ausschreiben. Wir können da ganz entspannt an die Sache rangehen.

Ferndorf hat einen Etat von 650.000 Euro und siedelt sich, was die Finanzen angeht, weit unten in der 2. Handball-Bundesliga an. Wie wollen Sie in dieser Liga dennoch bestehen?

Michael Lerscht: Die Etatzahlen muss man immer ein bisschen relativieren. Es kommt immer darauf an, was letzten Endes in die Mannschaft gesteckt wird und was nicht. Damit sind wir sicherlich auch am unteren Ende der Liga, aber unser Slogan ‚Familie Ferndorf‘ heißt ja nicht umsonst so. Wir haben enorm viele ehrenamtliche Helfer, die ihre Freizeit für den Verein opfern. Das muss ich einfach mal hervorheben. Das macht diesen Club aus. Nach dem Abstieg vor zwei Jahren war für uns klar, dass wir eine schlagkräftige Truppe aufbauen wollen, die nicht nur erfolgreich, sondern vor allem ein richtig zusammengeschweißter Haufen ist. Mir ist es wichtig, dass, auch wenn wir mal ein paar Spiele hintereinander verlieren sollten, wir dann immer noch zusammenhalten und nichts von außen in das Team eindringen kann.

Du hast den Abstieg angesprochen. Welche Schlüsse konntest du aus dem Negativerlebnis ziehen? Was willst du dieses Jahr anders machen? 

Michael Lerscht: Wir wollen über dem Strich landen (lacht). Das wäre das Einfachste. Wir haben in der Abstiegssaison gemerkt, dass die Mannschaft in Stresssituationen nicht gut funktioniert hat. Daran haben wir gearbeitet und uns weiterentwickelt. Wir sind eingespielt. Das ist unser großes Plus. Das haben wir zum Beispiel gegen Hamm gesehen, die sechs neue Rückraumspieler haben. Da klappt zu Saisonbeginn einfach noch nicht alles. So konnten wir auch einen Drei-Tore-Rückstand drehen und das Spiel letzten Endes gewinnen. In der Mannschaft steckt ein riesen Spirit. Das ist das alles Entscheidende für mich.

Du bist seit Jahren in diesem Verein tätig. Erst als Spieler, dann als Trainer der 2. Mannschaft, jetzt als Trainer der 1. Mannschaft. Wie würdest du deine Verbindung zum TuS Ferndorf beschreiben? 

Michael Lerscht: Mein Spielerpass liegt seit 2004 beim Verein. Schon als kleiner Junge bin ich hier in die Halle gegangen. Natürlich ist das dann eine besondere Beziehung, keine Frage. Der Verein hat meine Entwicklung geprägt. Mir macht das Spaß in diesem Club arbeiten zu dürfen. Beide Seiten wissen extrem, was sie aneinander haben. Nach dem Abstieg hat der Verein an mir festgehalten und an mich geglaubt. Das bedeutet mir sehr viel.

Apropos große Gefühle: Du hast deiner Frau damals bei den Deutschen Schwimmmeisterschaften im Schwimmbad vor versammelter Kapelle mit dem Hallenmikrofon einen Heiratsantrag gemacht. Nicht gerade alltäglich. 

Michael Lerscht: Das stimmt (lacht). Meine Frau war damals Delphinschwimmerin und hat das B-Finale bestritten. Das Element Wasser ist für meine Frau enorm wichtig. Das wollte ich respektieren. Für mich war das deshalb auch der richtige Rahmen für den Heiratsantrag.

Was würdest du gerne nach der Saison in das Hallenmikrofon der Stählerwiese sprechen?

Michael Lerscht: (Schmunzelt) Ich weiß, dass ich mich bei den Fans und den Spielern für eine Saison bedanken kann, die hoffentlich so verlaufen wird, wie wir uns sie alle vorstellen. Für was es dann am Ende wirklich gereicht hat, das werden wir sehen.

Danke für das Gespräch!